“Architektur als Recycling”

Created for a-face - Kundenmagazin von alsecco in 2012

Kategorie

  1. Architekturjournalismus
  2. Kundenmagazin

DSCN0088-ausschnitt

Das Rotterdamer Büro 2012Architecten

Um ein Modell für die Zukunft zu schaffen, setzen die Rotterdamer 2012Architekten konsequent auf die Wiederverwertung von Abfallmaterialien. Alte Reifen werden zu Sitzmöbeln umfunktioniert, aussortierte Windschutzscheiben finden als Regale ein neue Bestimmung. Zuletzt hat das Büro ein Restaurant in Amsterdam eingerichtet.

The new place to be in Amsterdam: Bei der offiziellen Eröffnung Anfang Juli drängten sich Dutzende Gäste in das neue Restaurant „Moes“ am zentral gelegenen Prins Hendrikkade. Die meisten von ihnen sind ziemlich begeistert von dem ebenso skurrilen wie modernen Ambiente und den zahlreichen überraschenden Details. Mit ausrangierten Kabeltrommeln und Gummiandruckrollen sowie alten Lichtboxen vom Flughafen Schiphol ist den Rotterdamer 2012Architecten nicht nur eine ungewöhnliche Inneneinrichtung, sondern auch überzeugendes Exempel ihrer „Second-Hand-Architektur“ gelungen.

Ein zentraler Blickfang im Raum ist der halbkreisförmig mit Holzlatten überdachte Essbereich im Zentrum des Restaurants: „Für die aufwändige Konstruktion haben wir die Holzreste von alten Kabeltrommeln genutzt, die wir von einem großen Kabellieferanten bekommen haben“, erklärt Architekt Césare Peeren. „Und auch die anderen Materialien haben wir zum großen Teil im Umkreis von fünf Kilometern eingesammelt. Insgesamt stammen so sechzig Prozent der verwendeten Materialien aus zweiter Hand.“

Hinter der ungewöhnlichen Sammelwut verbirgt sich mehr als nur ein überraschendes Design-Konzept. Denn die Wiederverwendung von Abfallmaterialien und Werkstoffen aus Abbruchobjekten in der Umgebung ist für die Architekten kein ästhetischer Selbstzweck, sondern bietet vor allem ein Modell für eine nachhaltige und Ressourcen schonende Architektur: „Wir betrachten unsere Entwürfe nicht als einen abgeschlossenen linearen Prozess, sondern eher als eine vorübergehende Etappe in einem fortwährenden Wandel von Herstellung und Neuerschaffung, von Gebrauch und Neugebrauch“, beschreibt Césare Peeren den Ansatz von 2012 Architecten. Im kreativen Austausch und in Zusammenarbeit mit Auftraggebern, Studenten und Handwerkern entstehen so unterschiedlichste Design-Objekte, Inneneinrichtungen und komplette Gebäude, aber auch Ansätze für stadtplanerische Projekte.

Zu den ersten Projekten von 2012Architecten gehörte ein Schuhgeschäft im niederländischen Seebad Scheveningen. Neben 130 ausrangierten Windschutzscheiben setzten die Planer dort auch ein altes Kassenband als Laufband ein. Bei der Umsetzung ihrer „Miele Raumstation 2“, die inzwischen an der TU in Delft als Espressobar genutzt wird, verwendeten sie dagegen die Überreste alter Waschmaschinen. Und die Tragstruktur der Villa Welpeloo in Enschede wurde aus den Stahlprofilen einer alten Textilfabrik errichtet.

Daneben haben 2012Architecten die drei Internet-Plattformen www.recyclicity.org, www.cyclifier.org und www.superuse.org entwickelt. Die unterschiedlichen Seiten wollen nicht nur zur kreativen Wiederverwendung von Abfall anregen, sondern erfassen auch neue Recycling-Projekte oder neu entwickelte Anwendungen zur Nutzung recycelter Materialien. Eine der manifestartig formulierten Forderungen lautet dabei, beim Einsatz der Baustoffe so wenig Energie wie möglich für Transport und Verarbeitung zu verbrauchen: „Sämtliche Abfallmaterialien sollten daher möglichst vom gleichen Ort stammen, an dem sie schließlich genutzt werden“, so Césare Peeren.

Wie sich dieser theoretische Anspruch in die Praxis umsetzen lässt, haben 2012Architecten zuletzt auch bei der gemeinsam mit dem Büro Refunc realisierten Kulisse für die Manifesta 9 im belgischen Genk demonstriert. Schwerpunkt des viermonatigen Kulturevents war analog zum Hauptveranstaltungsort in einem stillgelegten Steinkohlebergwerk die Geschichte der fossilen Energiegewinnung. Um das Gebäude in einen temporären Ausstellungsraum umzuwandeln, setzten die Planer auf einen starken Kontrast zwischen Dunkelheit und künstlichem Licht. Das Mobiliar wurde auf Basis einer umfassenden Analyse der verfügbaren Abfallströme in der Umgebung zusammengestellt; neben hunderten von weißen, als Leichtbaustrukturen verwendeten Plastik-Containern kam dabei auch ein Informationsstand aus verkratzten und daher aussortierten Karosserieteilen aus der angrenzenden Ford-Fabrik zum Einsatz. Ein spannender Ort und ein überzeugendes Manifest für einen nachhaltigeren Umgang mit vorhandenen Ressourcen.

© Text + Foto: Robert Uhde

Nächstes Projekt