“Den Mythos in Farbe getaucht”

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  1. Architekturjournalismus

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Sanierung des Kandinsky-Klee-Hauses in Dessau

Der Mythos der Dessauer Bauhausbauten ist ungebrochen – das 1926 von Walter Gropius errichtete Bauhausgebäude und die nur wenige hundert Meter entfernt gelegenen Meisterhäuser gelten längst als Ikonen des Neuen Bauens. Zuletzt unterstrich die 1996 erfolgte Aufnahme in Weltkulturerbeliste der UNESCO die hohe Bedeutung der Bauten. In der Realität war von dieser Wertschätzung lange Zeit nur wenig zu sehen. Zwar erhielt das Bauhausgebäude noch zu DDR-Zeiten seine im Krieg zerstörte Vorhangfassade aus Stahl und Glas zurück, ansonsten aber machten die weltberühmten Bauten jahrzehntelang einen eher verwahrlosten Eindruck. Nicht nur das Bauhausgebäude selbst, auch die nach dem Krieg erhalten gebliebenen zweieinhalb der ursprünglich vier Meisterhäuser wurden nach 1945 stark verändert und befanden sich lange Zeit in schlechtem Zustand. Inzwischen hat sich in Dessau jedoch einiges getan. Neben einer erneuten Generalsanierung des Bauhausgebäudes wurden sukzessive auch die Meisterhäuser in ihren ursprünglichen Zustand zurückverwandelt.

Neue Nutzung

Nachdem die nach dem Krieg verbliebene Hälfte des ehemals von Lyonel Feininger bewohnten Hauses bereits 1993 renoviert und ergänzt worden war – das Gebäude ist inzwischen öffentlich zugänglich und dient als Sitz des Kurt-Weill-Archivs –, präsentiert sich seit Anfang Februar dieses Jahres auch das Kandinsky-Klee-Domizil in überarbeitetem Gewand. Das durch das Planungsbüro Codema mit dem Architekten Ralf Pfeiffer originalgetreu wiederhergestellte Haus wird inzwischen als Museum genutzt. Im Erdgeschoss befinden sich Service-, Büro- und Dokumentationsflächen, die das Schaffen von Kandinsky und Klee zeigen. Im ersten Obergeschoss, wo sich unter anderem die ehemaligen Ateliers befanden, schließen sich Ausstellungsflächen für Sonderausstellungen an. Im zweiten Obergeschoss folgen Räume für die Museumspädagogik und eine Dokumentation über das Schaffen von Walter Gropius.

Historischer Kontext

Die gleichzeitig mit dem Bauhausgebäude entstandenen und seinerzeit ebenfalls von der Stadt Dessau finanzierten Meisterhäuser liegen in einem kleinen Kiefernhain entlang der Ebertallee. Das Ensemble bestand seinerzeit aus drei Doppelwohnhäusern mit Ateliers für die Bauhausmeister Paul Klee und Wassily Kandinsky, Georg Muche und Oskar Schlemmer sowie Lyonel Feininger und László Moholy-Nagy. In dem angrenzenden Einzelwohnhaus wohnte Gropius selbst. Die schlichte und funktionsorientierte Architektur der Bauten galt seinerzeit als revolutionär. Und mit ihren standardisierten, spiegelbildlich um 90 Grad verschränkten Grundrissen bildeten sie ein gelungenes Beispiel für den von Gropius vertretenen „Baukasten“ im Großen. Die Möbel und Interieurs stammen jeweils von Marcel Breuer.

Nach der Schließung des Bauhauses durch die Nazis wurden die Meisterhäuser zunächst durch die Junkers-Werke aufgekauft und jahrelang als Wohnraum für Werksangehörige genutzt. Im Krieg wurden die Villa Gropius und eine Hälfte des Hauses von Feininger und Moholy-Nagy zerstört, nach 1945 wurde de verbliebene Bestand dann weiter entstellt. In der DDR, die mit den Symbolen des Neuen Bauens merkwürdigerweise kaum etwas anzufangen wusste, wurden die Bauten als Mehrfamilienhaus oder als Polyklinik genutzt. Dabei zerstörten zahlreiche bauliche Eingriffe wichtige Funktionszusammenhänge.

Bestandsaufnahme

Nach der 1983 abgeschlossenen Rekonstruktion des Feininger-Hauses konnte jetzt auch die Sanierung des verwahrlosten Kandinsky-Klee-Hauses abgeschlossen werden (die Rekonstruktion des Muche-Schlemmer-Hauses befindet sich dagegen noch in der Planung). Als wesentliche Eingriffe hatten die Denkmalpfleger dabei die Versetzung der Außenwand an der Südost-Ecke, die Beseitigung des Treppenaufganges vom ersten zum zweiten Obergeschoss, den Einbau verschiedener Trennwände im Atelier sowie den Anbau mehrerer außen liegender Kamine festgestellt. Darüber hinaus war der Austausch sämtlicher Treppenhaus und Atelierstahlfenster durch kleinteilige Holzfenster, das Ausmauern von verschiedenen Balkon-, Terrassen- und Innentüren, der Ersatz einer als Kragplatte ausgebildeten Balkonplatte durch eine Balkonplatte mit Stahlstützen sowie die Veränderung der Außenanlagen verzeichnet worden. Trotz dieser Eingriffe ist die eigentliche Konstruktion der Häuser jedoch im Wesentlichen erhalten geblieben.

Sanierungsmaßnahmen

Um den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen, mussten bei der Sanierung zuallererst die beschriebenen baulichen Veränderungen korrigiert werden. Den konstruktiv aufwändigsten Teil stellte dabei die Neuausbildung der an der Ostseite verlaufenen Kragplatte und ihre Rückverankerung beim Aufbau des Treppenhauses dar. Als weitere Maßnahmen mussten Lichtschächte und Galerie-Ebenen nachgebaut und weite Bereiche der vorhandenen Außenputzschichten durch einen Kalkputz ersetzt werden.

Bei der Materialwahl bemühten sich die verantwortlichen Architekten, Baupysiker und Restauratoren um die weitgehende Verwendung von Originalbaustoffen bei Türen, Bodenbelägen und Sockelleisten und Holzfenstern. Die Stahlfenster im Treppenhaus- und Atelierbereich wurden dagegen mit einer Isolierverglasung nachgebaut. Darüber hinaus wurden sämtliche Elektro- und Sanitärleitungen verändert und aus klimatischen Gründen Rollos mit reflektierender Beschichtung eingesetzt. Außerdem verwendete man beim Aufmauern des Treppenhauses, beim Ausmauern der Fenster und bei den verschiedenen erforderlichen Dämmmaßnahmen statt der 1925 beim Rohbau verarbeiteten Jurkoplatten (Betonplatten aus Schlacke, Sand und Zement) und der damals eingesetzten Torfoleumdämmung (bitumengetränktes Torfprodukt) heute handelsübliche Produkte.

Farbige Innenraumgestaltung

Im deutlichen Gegensatz zur abstrakten Architektur und den weißen Außenwänden steht die im Zuge der Sanierungsarbeiten neu erblühte Farbigkeit im Inneren, die eindrucksvoll belegt, dass die Bauhaus-Ästhetik ursprünglich viel komplexer war, als es der Mythos gemeinhin wahrhaben will. An den Innenraumwänden konnten die Restauratoren rund 170 Farbtöne (!) in verschiedenen Schichten finden – vom angeblich so baushaustypischen Weiß also keine Spur! Stattdessen wurde Klees Atelier nach seinen eigenen Farbplänen gelbschwarz gestrichen, für sein Schlafzimmer wählte man entsprechend einen roten Bodenbelag. Und auch das Treppenhaus der Kandinskys war farblich keineswegs schlicht gehalten, sondern leuchtete rot, gelb und blau. Bei Nina Kandinsky ist außerdem zu lesen: „Der Wohnraum war hellrosa getüncht, eine Nische mit Blattgold ausgelegt. Das Schlafzimmer erhielt einen mandelgrünen, das Arbeitszimmer Kandinskys einen hellgelben, das Atelier und das Gästezimmer einen hellgrauen Anstrich.“

Resümee

Entsprechend der Absicht des neuen Bauhaus-Direktor Omar Akbar, der das Bauhaus-Erbe kritisch aufarbeiten, und dabei vor allem in die Zukunft blicken will, ist den beteiligten Architekten und Denkmalpflegern ein sensibler Kompromiss zwischen Erhalt und notwendiger Neufassung gelungen, der auch die Spuren der DDR-Zeit nicht leugnet. Darüber hinaus rüttelt der jetzt als Museum genutzte Bau wohltuend am tradierten Bild vom technisch-rationalen Einheitsstil und erinnert stattdessen an die eher malerische Variante des Bauhauses.

© Text + Foto: Robert Uhde

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