“Goldgefüllt und perlengleich: 300 Jahre Zahnheilkunde in Berlin”

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Unter dem Motto „goldgefüllt und perlengleich“ bietet das Medizinhistorische Museum der Charité in Berlin gegenwärtig einen spannenden Einblick in die technisch-instrumentelle und institutionelle Entwicklung der Zahnheilkunde seit dem frühen 18. Jahrhundert. Gezeigt wird die Entwicklung des Faches vom „schlichten“ Handwerk bis hin zum heutigen wissenschaftlichen Beruf mit seinen zahlreichen Spezialisierungen. Die Ausstellung läuft bis zum 28. Februar 2010.

Das Medizinhistorische Museum in der Berliner Charité hat eine lange Tradition. Es geht zurück auf das 1899 von Rudolf Virchow gegründete „Pathologische Museum“, das seinerzeit bereits 23.000 Präparate umfasste. Neben seiner bedeutenden Dauerausstellung bietet das Museum regelmäßig Wechselausstellungen zu unterschiedlichen medizinischen Themen. Bis Ende Februar steht dabei die Entwicklung der Zahnheilkunde in den vergangenen drei Jahrhunderten mit dem Schwerpunkt Berlin im Mittelpunkt. Die zahlreichen Exponate, darunter Fotos, Zeichnungen, Dokumente, Dentalinstrumente und Dentaleinheiten aus unterschiedlichen Epochen, belegen dabei eindrücklich, wie sehr die Angst vor dem Zahnarzt damals wie heute viele Menschen umtreibt.

Vom Bader zum Zahnarzt

Bis in das 18. Jahrhundert hinein ist die Zahnheilkunde ein reines Handwerk. Bader, Barbiere und Wundchirurgen versehen die Zahnbehandlung neben ihren sonstigen Aufgaben wie Bartscheren, Aderlass und Bruchversorgung. Erfolgreich, bisweilen auch berüchtigt, sind andererseits die fahrenden Zahnreißer oder Zahnbrecher wie Andreas Eisenbarth (1663 bis 1727), der mit Musikern und Schauspielern durch die Lande zieht. Beinahe zeitgleich treten mit Pierre Fauchard in Paris (1678 bis 1761) und dem Königlich-Preußischen Hofzahnarzt Philipp Pfaff in Berlin (1713 bis 1766) jedoch die ersten „Zahn-Aerzte“ als Spezialisten auf den Markt. Pfaffs „Abhandlung von den Zähnen“ aus dem Jahr 1756 ist heute noch das Fundament der deutschen zahnärztlichen Literatur.

Zunehmenden Einfluss auf die Zahnheilkunde gewinnt seit dieser Zeit das naturwissenschaftliche Denken seit dem 18. und 19. Jahrhundert. Neue Erkenntnisse aus vergleichender Anatomie, Entwicklungslehre und Mikrobiologie gehen in das Fachgebiet ein, wie die Ausstellung anhand historischer Zeichnungen, Systematiken und Objekte zeigt. Seit dem 19. Jahrhunderts wird die Zahnheilkunde im Zuge der Industrialisierung dann durch eine immer stärkere Technisierung geprägt. Die Entwicklung vom fußbetriebenen bis hin zum elektrischen Bohren erleichtert zunehmend die Entfernung von Karies, während der Einsatz von vulkanisiertem Kautschuk und Porzellan die Herstellung der ersten brauchbaren Prothesen ermöglicht. Gleichzeitig sind die Zahnärzte begeistert von den neuartigen Möglichkeiten der von amerikanischen Zahnärzten erstmals verwendeten Narkotika Lachgas und Äther. Kurz darauf haben die mikrobiologischen Erkenntnisse von Robert Koch (1843 bis 1910) große Auswirkung auf die Zahnheilkunde und werden gegen Ende des 19. Jahrhunderts zur Grundlage der Kariesforschung.

Erweiterte Ausbildung

Einen zusätzlichen Schub für die Entwicklung der Zahnmedizin bedeutet im 19. Jahrhundert der weitere Ausbau der zahnmedizinischen Ausbildung, die in Deutschland erstmals 1829 mit dem Studiengang für „Beflissene der Chirurgie, Zahnheilkunde und Pharmazie“ an der Berliner Universität einen festen akademischen Rahmen erhält. 1884 folgt die Gründung der ersten deutschen Universitätszahnklinik in Berlin, die schließlich ein zweijähriges Studium für den künftigen Zahnärzte verpflichtend einführt.

Die fortschreitende Wissensentwicklung sowie die Nutzung neuartiger Techniken und Materialien ermöglichen in der Folge eine zunehmende Spezialisierung in der Zahnmedizin. An der Berliner Universität wird das Fach Zahnheilkunde in den Disziplinen zahnärztliche Chirurgie, Zahnersatz- und Zahnerhaltungskunde erforscht und gelehrt. Die Bereiche Krankenversorgung und Lehre sind dabei eng miteinander verbunden. Drei Professoren, sieben Assistenten und rund 150 Studenten unterschiedlicher Studiensemester erwarten an sechs Tagen in der Woche die Patienten. Viele von Zahnschmerzen geplagte Berlinerinnen und Berliner nehmen das Angebot für die kostenlosen Behandlungen gerne an. Bezahlt werden muss lediglich für die Narkose, das Füllungsmaterial oder das Material für den Zahnersatz.

Entwicklung im 20. Jahrhundert

Der folgende Abschnitt der Ausstellung widmet sich der Zahnmedizin im Ersten Weltkrieg. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Entwicklung neuer chirurgischer Verfahren zur Wiederherstellung von Gesicht und Kiefer nach Krankheiten oder Verletzungen. Ein in der Ausstellung aufgebautes Feldlazarett und erschütternde Fotos von Kriegsverwundungen im Kieferbereich vermitteln einen beklemmenden Eindruck von den damaligen Verhältnissen. Bei einfachen Kieferbrüchen wird in solchen Feldlazaretten zum Beispiel eine Ruhigstellung der knöchernen Strukturen mittels eines Drahtschienenverbandes nach Carl Sauer (1835 bis 1892) vorgenommen. Im Fall komplizierter Schussbruchverletzungen von Kiefer und Mittelgesicht erfolgt hingegen zunächst nur eine provisorische Versorgung mit Hilfe von Hartgummiprothesen. Weitergehende Behandlungen finden dann in speziellen Reservelazaretten statt.

Nach dem Ersten Weltkrieg stehen an der Berliner Universitätszahnklinik bis in die 1950er-Jahre hinein vor allem die konservierende Zahnheilkunde und die Prothetik im Zentrum. In den 1930er-Jahren trägt der Zahnarzt dabei ähnlich wie heute mit drei grundsätzlichen Vorsorgemaßnahmen und Therapieschritten zum Erhalt der Zähne bei: Er leitet den Patienten durch Hinweise zur richtigen Ernährung und Zahnhygiene zur Vorbeugung an. Zahndefekte durch Karies oder unfallbedingte Abbrüche werden durch Füllungen aus Zahngold, Kupfer- und Silberamalgam oder auch aus Gold behandelt. Bei Entzündungen der Pulpa wird eine Wurzelbehandlung erforderlich.

Ab 1940 erfolgen wichtige Entwicklungen in der Prothetik, nach dem Zweiten Weltkrieg erhält dann die Korrektur von Zahnfehlstellungen und Kieferverformungen im Rahmen der Kieferorthopädie einen immer größeren Stellenwert. Gegen Ende des 20. Jahrhunderts macht außerdem der Einsatz neuer Materialien das Implantieren von Zahnersatz für den Patienten verträglich und dauerhafter im Gebrauch. In einem eigenen Raum werden in der Ausstellung moderne Dentaleinheiten gezeigt, die in deutlichem Kontrast zu früheren Modellen stehen und so eindrücklich den Fortschritt der modernen Zahnmedizin aufzeigen. Die Furcht der Patienten ist trotz dieser Entwicklungen in vielen Fällen geblieben. Was letztlich zu belegen scheint, dass Furcht ein ziemlich relatives Gefühl ist.

Die Ausstellung „goldgefüllt und perlengleich“ im Berliner Medizinhistorischen Museum ist bis zum 28. Februar 2010 zu sehen. Öffnungszeiten: Di, Do, Fr und So 10 – 17 Uhr, Mi und Sa 10 – 19 Uhr, Mo geschlossen. An Feiertagen geöffnet, außer Weihnachten und Neujahr.

© Text + Fotos: Robert Uhde

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