“Lichtvisionen aus Berlin”

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  1. Architekturjournalismus

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Das Berliner Lichtplanungsbüro LichtVision entwickelt umfangreiche Konzeptionen zur Beleuchtung bestehender und neuer Architektur. Im Zentrum stehen dabei Lösungen für Tages- und Kunstlicht sowie die Planung von Gebäudemanagement-Systemen und Medienfassaden.

LichtVision? Das macht neugierig auf intelligente und innovative Beleuchtungskonzepte. Und in der Tat: Wer das im ersten Stock eines dreigeschossigen Schöneberger Altbaus gelegene Büro des 1997 gegründeten Lichtplanungsbüros betritt, dessen Blick stößt nicht nur auf verschiedenfarbig gestaltete Räume – hellgrün im Planungsbereich, blau im Konferenzraum, gelb in der Entwicklung –, sondern schnell auch auf die verschiedensten, durch die fünf Partner selbst entwickelten Leuchtensysteme. Im Zentrum steht dabei eine im Flurbereich integrierte Lichtdecke, die wie sämtliche anderen Leuchten im Büro über ein zentrales Gebäudemanagement-System gesteuert wird: Je nach Tageszeit werden so tageslichtähnliche Blau- oder eher warme Rotanteile zugemischt.

„Die ganze Technik macht aber nur dann Sinn, wenn der Mensch im Mittelpunkt steht. Deshalb ist es uns wichtig, dass unsere Systeme dynamisch angelegt sind und sich gleichzeitig auch individuell steuern lassen“, berichtet Dr. Thomas Müller (39, Schwerpunkt Kunstlichtplanung), der seine Ausbildung gemeinsam mit den Partnern Raoul Hesse (39, Visuelle Medien, Industrie-Design), Dr. Thomas Knoop (31, Gebäude-Automatisierung) und Dr. Karsten Ehling (33, Tageslicht) am Institut für Lichttechnik an der TU Berlin absolvierte. Komplettiert wird LichtVision durch die Architektin Carla Uphues (36), die durch ihre vorherige Arbeit mit verschiedenen Architekturbüros auch die entscheidenden Kontakte für einen ersten gemeinsamen Auftrag für Hans Kollhoff beisteuerte: Als der Berliner Architekt mit dem Umbau der ehemaligen Reichsbank zum Konferenzbereich des Auswärtigen Amtes beauftragt wurde (1997-2000), fiel den bis dahin projektweise zusammenarbeitenden Planern einigermaßen überraschend die Aufgabe der Kunstlicht- und Beleuchtungssteuerungsplanung zu – „letztlich der Startschuss für die gemeinsame Bürogründung“, wie Carla Uphues rückblickend berichtet.

Um eine optimale Licht- und Raumdramaturgie für das Auswärtige Amt zu schaffen, analysierte das Team zunächst die architektonischen Grundstrukturen und Nutzungsanforderungen und entwickelten daraufhin gemeinsam mit Architekt und Bauherr verschiedene Lösungskonzepte. Als größte Herausforderung erwies sich dabei die vielfältige Funktionsbandbreite vom Arbeitsraum bis hin zum Bankettsaal: Entsprechend der temporären Nutzung der Konferenzräume wurde eine Zwei-Komponenten-Beleuchtung konzipiert, bei der das atmosphärische Licht durch Kristallleuchter, das Allgemein-Licht durch eine diffus abstrahlende Komponente erzeugt wird. Lichtszenen ermöglichen dabei eine Schwerpunktverlagerung zwischen beiden Quellen. Die Erschließungswege des Gebäudes beleuchteten die Planer mit diffusen, aus reflektierenden Architekturelementen zusammen gesetzten Lichtflächen. Eine zusätzliche Maßnahme war die Entwicklung einer temperaturabhängigen Steuerung für die ins Gebäude integrierte Lichtkunst von Gerhard Merz.

Bei dem Beleuchtungskonzept für die bis 2003 fertiggestellte Häussler Schwaben Galerie in Stuttgart Vaihingen (Léon Wohlhage Wernik Architekten) standen vor allem die Unterstützung des Erscheinungsbildes wichtiger architektonischer Elemente und die Strukturierung des städtebaulichen Ensembles im Mittelpunkt: Das zentrale Atrium, der „Tempel“ und die Bürgerforum-„Vitrine“ sollen gemäß ihrer architektonischen Bedeutung differenziert für die Fernwirkung beleuchtet werden. “Über die skulpturale große Treppenanlage wollen wir dagegen einen warmweißen Lichtteppich ausrollen, der die Besucher in die neue Einkaufswelt um den Schwabenplatz locken soll”, berichtet Thomas Müller. Ein weiteres wichtiges Element ist die Beleuchtung des Bürotrakts, die Passanten durch das Areal leiten oder sie zu den jeweiligen Empfangszonen der Büro-, Hotel- und Kaufwelt führen soll.

Ähnlich umfangreich zeigt sich die Kunstlichtplanung für den neuen Konzertsaal der Hochschule für Musik und Theater in Leipzig (1999, Gerber Architekten, Dortmund), der gemeinsam mit angegliederten Übungsräumen die hofseitige Ergänzung des historischen Hochschul-Ensembles bildet. Wichtigste Elemente sind dabei die beleuchteten Akustiksegel sowie die mit dimmbaren Leuchtstofflampen bestückten Lichtdecken unterhalb der Beleuchterbrücken, in die die Planer Glasfaserendlichtpunkte als zusätzliche atmosphärische Komponente versenkten. Die auf diese Weise geschaffene Illumination des Innenraumes schafft gleichzeitig die Grundlage zur Beleuchtung des Außenraumes.

Bei der bislang noch nicht realisierten Kunstlichtplanung für mehrere U-Bahnhöfe der historischen Berliner Linie 8 – mit ihrer sachlichen und zweckorientierten Verkehrsarchitektur ein wichtiges Zeugnis der Berliner Verkehrs- und Baugeschichte der Weimarer Republik –, standen vor allem denkmalpflegerische Aspekte sowie die heutigen Anforderungen an Verkehrssicherheit, Betrieb, Wartung und Aufenthaltsqualität im Mittelpunkt. Ein besonderes Augenmerk legten die Planer dabei auf die Deckenaufhellung, die den Bahnhöfen ein offenes und angenehmes Erscheinungsbild verleihen soll.

Das interdisziplinär besetzte und aus insgesamt zehn Mitarbeitern bestehende Team realisiert sämtliche Themen rund um die Lichtplanung und -gestaltung – von der Tages- und Kunstlichtplanung bis hin zum Gebäudemanagement und der Entwicklung von Medienfassaden. Diese Offenheit hat sich letztlich als großer Vorteil erwiesen, denn das Büro besitzt damit nicht nur ein Alleinstellungsmerkmal unter den Lichtplanungsbüros, sondern kann damit auch die unterschiedlichsten Anforderungen bewältigen. “Aufgrund der komplexen Beziehungen der beteiligten Gewerke untereinander arbeiten wir unsere Projekte in der Regel als intensive Teamarbeit aus”, berichtet Carla Uphues. Neben der Architektur selbst spielen vor allem die Faktoren Corporate Design, städtebaulicher Kontext, Nutzung und Anwenderfreundlichkeit eine wichtige Rolle: „Von entscheidender Bedeutung ist etwa, ob die geplanten Anlagen überhaupt praktikabel sind“, ergänzt Thomas Knoop – „denn auch wenn eine bestimmte Funktion technisch möglich wäre, so muss doch jedes Mal ziemlich genau überlegt werden, welche technischen Anforderungen damit nach sich gezogen werden.“ Eine ähnliche Verantwortung ergibt sich für die Planer in Bezug auf den städtebaulichen Kontext: „Auch hier darf es nicht darum gehen, zu zeigen, was technisch alles möglich ist. Denn bunt allein bedeutet schließlich noch lange keine Qualität.“

Eine ähnlich große Rolle wie die Kunstlichtplanung spielt auch die Tageslichtplanung – „ein Faktor, der trotz der komplexen Wechselwirkungen zwischen thermischen, energetischen, lichttechnischen und psychologischen Parametern noch bis in die 80er Jahre hinein völlig unterschätzt wurde“, wie Karsten Ehling berichtet. Durch gestiegenes Umweltbewusstsein sowie durch veränderte Anforderungen an Komfort und Ergonomie hat sich diese Haltung inzwischen jedoch deutlich verändert. Bei der Tages- und Kunstlichtplanung für das Anfang des 20. Jahrhunderts durch Rudolf Virchow geplante und inzwischen auf seine noch erhaltene historische Substanz zurück gebaute Medizinhistorische Museum an der Berliner Charité (Architekten Schreiber Egger, Berlin, 2001) stand dabei vor allem die Herausarbeitung der zurückhaltenden historischen Architektur im Zentrum. LichtVision entwickelte dazu eine tageslichtabhängig steuerbare, diffuse Indirektbeleuchtung für die Ausstellungsbereiche, wobei die Decke in den Gewölben entlang der Fenster als Reflektionsfläche dient. Die Leuchte fasst in einem grafischen Deckenbild den Raum und definiert ihn damit als Einheit.

Auch beim Beleuchtungskonzept für die Büroneugestaltung der ARAG Lebensversicherungs-AG in München (Architekten Binnberg Pfeiffer GbR, München, 2001) stand die Integration von Tages- und Kunstlicht im Mittelpunkt. Im zentralen Bereich des Veranstaltungssaales haben die Planer ein Downlightpattern mit dimmbaren Halogenstrahlern, einen Hochdruckentladungs-Lampenstrahler mit tageslichtähnlichem Licht und ein langgestrecktes dimmbares Kunstlichtoberlicht (20 m x 2 m) mit Folienabdeckung installiert. Ein ähnlich großes Oberlicht findet sich im Wintergarten im obersten Geschoss. Um die Funktion dieses Klein-Biotops als lebendige Fläche mitten im Gebäudekern zu unterstützen, lenken wendbare Alu-Lamellen das Sonnenlicht auf die rückseitige Wintergartenwand. Bei bedecktem Himmel positionieren sich die Lamellen automatisch senkrecht und führen das Tageslicht so in den Innenraum.

Aber nicht nur Tages- und Kunstlichtkonzepte, auch Gebäudemanagement-Systeme gewinnen im Zuge wachsenden Anspruchs an Komfort, Flexibilität und Energie-Effizienz immer mehr an Bedeutung. “Durch den bedarfsgerechten Einsatz von Leuchten und Verschattungsanlagen lassen sich dabei Raumsituationen gestalten und vielfältige Stimmungen erzeugen, wobei Funktionen und dynamische Abläufe genau festgelegt und anschließend in ein schlüssiges Bedienkonzept umgesetzt werden”, wie Thomas Knoop erklärt. Ein weiteres wichtiges Projekt für Hans Kollhoff ist in diesem Zusammenhang die Beleuchtungsplanung für die Hauptstelle Meiningen der Landeszentralbank der Freistaaten Sachsen und Thüringen (1998-2000). Zentrales Element ist dabei der von 44 hinterleuchteten Oberlichtern geprägte Innenhof oberhalb der öffentlichen Kassenhalle: Die begehbaren Lichtfelder übernehmen hier die Funktion einer tageslichtabhängig gesteuerten Lichtdecke für den darunter liegenden Kundenbereich, der durch eine diffus leuchtende Fläche mit einem selbst leuchtenden oder reflektierenden Oberflächenmaterial und Leuchtkörpern aus geometrisch aneinander gesetzten Alabasterplatten bestimmt wird.

Auch bei drei Projekten innerhalb des Sony Centers am Potsdamer Platz (Murphy/Jahn, 1999-2000) spielt das Zusammenspiel der verschiedenen Möglichkeiten zur Beleuchtungssteuerung eine große Rolle: Für das neue Filmhaus (1998-2001) erarbeitete LichtVision in enger Zusammenarbeit mit dem für die Innengestaltung beauftragten Architekturbüro Lehrecke ein nutzungsübergreifendes Lichtkonzept und setzte es anschließend in Form einer Sonderleuchte um. Auf diese Weise gelang es den Planern, bei einer einheitlichen Außenwirkung das gesamte Spektrum der Nutzungsarten wie Büro- und Seminarräume sowie Ausstellungs- und Bibliotheksräume abzudecken. Die neu entwickelte Leuchte weist eine asymmetrische Lichtverteilung auf und ist über ein prismatisches Kunststoffrohr in Kombination mit einem innen liegenden Spiegelraster entblendet. Ein weiterer Schwerpunkt innerhalb des Sony Centers war die Strukturierung der verwinkelten räumlichen Situation des im Untergeschoss des Gebäudes gelegenen Foyers des Kino Arsenal. Die dazu entwickelte Beleuchtung ist in die Kinosteuerung integriert, so dass Teile des Foyers als Lichtschleuse für das Kino dienen können.

Direkt nebenan entwickelte LichtVision die Beleuchtung des Flagship Stores für den Internet-TV-Sender webfreetv (Aukett + Heese GmbH, 2000). Die Anforderungen bestanden hier darin, die Schnitt- und Arbeitsplätze ergonomisch zu beleuchten, die Außenwirkung bei Tag und Nacht sowie für Events zu inszenieren und eine angemessene Lichtatmosphäre für das Café im Erdgeschoss zu schaffen. Zur Realisierung dieser Planungsvorgaben setzten die Planer großflächige Lichtdecken ein, die die Form des Raumgrundrisses aufnehmen und vor allem nachts für eine faszinierende Atmosphäre sorgen. Die Beleuchtungssteuerung ermöglicht dynamische Lichtwechsel für sämtliche Lichtgruppen und differenzierte Einstellungen für die unterschiedlichen Nutzungsarten.

“Ein weiterer Schwerpunkt unserer Arbeit ist die Planung von Medienfassaden, die im nächtlichen Erscheinungsbild unserer Städte nicht mehr nur als beleuchtete oder selbstleuchtende Flächen, sondern zunehmend auch als Träger visueller Medieninhalte eingesetzt werden”, wie Raoul Hesse berichtet. Für das Verwaltungsgebäude des Energiekonzerns Veag in Berlin-Mitte (Architekten Kny & Weber, 1998-1999) entwickelten die Planer eine Medienfassade, die sich über 18 separate Fensterscheiben erstreckt. Jede dieser Scheiben ist mit einer zusätzlichen Schicht (Priva-Lite) versehen, die vom opaken in den durchsichtigen Zustand wechseln kann. So ist es möglich, tagsüber bei transparenten Scheiben in das Gebäude hinein zu blicken und andererseits in den Abendstunden die opaken Scheiben von innen zu bespielen und somit als Projektionsflächen zu nutzen. Die gesamte Medienfassade wird nicht als Werbefläche, sondern ausschließlich als Plattform für Videokünstler genutzt, wobei 18 Videokameras mit vernetzten MPEG2-Playern von einem Technikraum aus zentral gesteuert werden können.

Für das voraussichtlich 2005 eröffnete Museum für Moderne und Zeitgenössische Kunst in Bozen (Architekten KSV, Berlin) entwickelten die Planer zuletzt ein integriertes Beleuchtungskonzept, bei dem Tageslicht-, Kunstlicht- und Medienfassade von Anfang an ineinandergreifen: Für die Ausstellungsbereiche sind ein modulares Stromschienensystem und ein tageslichtabhängiges Lichtdeckenfeld im zentralen Bereich vorgesehen. Ergänzt wird das Konzept mit einer direkten Beleuchtung durch Wandfluter in den Seitenschiffen. Um eine zu starke Erwärmung durch intensives Sonnenlicht zu vermeiden und die Exponate vor zu starker Strahlungseinwirkung zu schützen, entwickelte LichtVision gleichzeitig eine Tageslichtkonzeption mit einem außen liegenden Lamellensystem. Darüber hinaus soll die Fassade des Gebäudes eine aktive Membran für Kunst werden. Das dazu vorgestellte Konzept sieht eine Bespielung einzelner Fassadenbereiche mit Video- oder Diaprojektoren aus dem Gebäudeinnern vor.

Ein weiteres noch ausstehendes Projekt ist die Beleuchtungsplanung für das 1957 als Kongresshalle eröffnete und inzwischen für Veranstaltungen unterschiedlichster Art genutzte “Haus der Kulturen der Welt” im Berliner Tiergarten. Mit dem für die Abendstunden und für Veranstaltungen entwickelten Beleuchtungskonzept will LichtVision das Gebäude in einen völlig neuen Bezug zu der durch den Neubau des Bundeskanzleramtes stark veränderten Umgebung stellen. Zentraler Bestandteil des ersten Sanierungsabschnittes (fhw Architekten, Berlin) ist die Inszenierung des membranartigen Daches: Um dessen Wirkung auch in den Abendstunden sichtbar werden zu lassen, sollen seine Ober- und Unterseite unterschiedlich ausgeleuchtet werden – “so behält das Dach auch bei Dunkelheit seine filigrane Leichtigkeit”, wie Raoul Hesse erklärt. Ganz anders die Strategie im Umgang mit den angrenzenden Wasserflächen: “Der Bereich soll ganz bewusst unbeleuchtet bleiben, denn so kann sich das Gebäude durch Spiegelung an der dunklen Wasserfläche ohne Störungen verdoppeln.” Ein nachdrücklicher Beweis dafür, dass weniger an manchen Orten auch mehr sein kann.

© Text: Robert Uhde

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