“Ein Diamant wie Kohle”

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  1. Architekturjournalismus

Bergbaumuseum von Benthem Crouwel in Bochum

In Bochum ist vor kurzem der Erweiterungsbau des Deutschen Bergbaumuseums fertiggestellt worden. Der durch die Architekten Benthem Crouwel geplante dreigeschossige Quader erweitert die Räumlichkeiten des denkmalgeschützten Bestandes aus den 1930er-Jahren. Ein gelungenes Detail ist die schwarze, mit Graphiteinstreuungen gestaltete Putzfassade, die dem Entwurf schnell den Beinamen „Schwarzer Diamant“ eingebracht hat.

Das zwischen 1936 und 1940 errichtete Deutsche Bergbaumuseum in Bochum gehört neben der 1928 bis 1932 fertiggestellten Schachtanlage der Zeche Zollverein 12 in Essen zu den bedeutendsten Projekten des bekannten deutschen Industriearchitekten Fritz Schupp. Im weltweit größten Bergbaumuseum werden auf einer Ausstellungsfläche von rund 10.000 Quadratmetern und in einem 2,5 Kilometer langen Anschauungsstollen das Leben unter Tage sowie neue Forschungsergebnisse zum Thema dokumentiert. 2006 hatten das Museum und seine Träger – die Deutsche Montan-Technologie Gesellschaft für Lehre und Bildung mbH, die Stadt Bochum, die Bundesrepublik Deutschland sowie das Land Nordrhein-Westfalen – entschieden, einen Erweiterungsbau für zusätzliche Sonderausstellungen zu errichten. Als Standort für den Neubau war das zuvor als Stellplatz genutzte Grundstück zwischen dem bestehenden Bergbaumuseum im Norden und der südlich verlaufenden Bahnlinie vorgesehen.

Aus dem kurz darauf im Juli 2006 europaweit ausgeschriebenen Wettbewerb war aus 134 Bewerbungen das Büro Benthem Crouwel als Sieger hervorgegangen. Das Büro mit Sitz in Amsterdam und Aachen hat sich insbesondere durch seine Planungen für das Amsterdamer Anne-Frank-Haus, das Passsivhaus-Bürogebäude „Etrium“ in Köln sowie für die Bahnhöfe in Amsterdam, Rotterdam und Utrecht einen Namen gemacht. Ausgehend von der rechtwinklig um zwei quadratische Innenhöfe angeordneten – und durch einen 60 Meter hohen Förderturm überragten – Architektur des Bestandes entwickelten die Planer einen kompakten dreigeschossigen Kubus, der mit seinen außen liegenden Erschließungsgängen wie ein großes Schnittmodell eines Bergwerks erscheint. Die Erschließung und Verbindung zum nördlich angrenzenden Bestand erfolgt über zwei sich überkreuzende, frei tragende Fußgängerbrücken als schwebende Verbindung zwischen Alt und Neu.

Anthrazitfarbene Putzfassade

Um auf sämtlichen Ebenen stützenfreie und somit möglichst flexible Ausstellungsräume zu erhalten, wurde der Neubau als „steife Box“ in Stahlbetonbauweise mit Außenwänden und Kernwänden als vertikaler Aussteifung errichtet. Markanter Blickfang nach außen ist die als äußere Hülle vorgehängte Putzfassade mit ihrem beinahe schwarzen Farbton. „Ausgehend vom Thema Bergbau hatten wir von Anfang an die Idee einer homogenen, möglichst dunklen Fassade mit fugenloser und gleichzeitig erdig-rauer Oberfläche“, so Markus Sporer, einer der sechs Partner von Benthem Crouwel. „Gleichzeitig schwebte uns ein leicht schimmernder Effekt vor. Aus mehreren Varianten haben wir uns dann schließlich für die Ausbildung einer verputzten Vorhangfassade entschieden. Auf Basis unserer Vorstellungen hat der Hersteller dazu einen speziellen Putz mit eingeblasenen glitzernden Siliciumcarbid-Splittern und extrem niedrigem Hellbezugswert als Sonderlösung entwickelt.“ Die dunkle fugenlose Hülle erzeugt je nach Sonnenstand und Blickwinkel des Betrachters einen lebendigen Fassadeneindruck mit unterschiedlichste Reflexionen und visualisiert so sinnfällig das Thema „Kohle“. Als Putzträger kamen hinterlüftete Platten aus Blähglasgranulat mit einer entsprechenden Armierung zum Einsatz.

Zickzackförmiges Erschließungsband

Im starken Materialkontrast zur dunklen Putzfassade präsentiert sich das nach außen hin verglaste Treppenhausband, das mit seiner blitzartigen Struktur auf den ersten Blick an unterirdische Gänge, Stollen und Rampen erinnert und das Gebäude zur Stadt hin öffnet. Das als Pfosten-Riegelfassade ausgebildete Glasband windet sich vom Erdgeschoss bis zum zweiten Obergeschoss um den dunklen Kubus herum und gibt dabei den Blick auf die melonengelb leuchtende Polyurethan-Beschichtung von Boden, Wand und Decke frei. Besonders eindrucksvolle Perspektiven ergeben sich dabei bei Dunkelheit, wenn die farbigen Zickzacklinien gemeinsam mit den schmalen horizontalen Fensteröffnungen der beiden Fußgängerbrücken atmosphärische Farbeffekte erzeugen und durch ihren assoziativen Verweis auf heiße Asche eindrucksvoll den Bezug zum Thema Bergbau visualisieren.

Zusätzliches Tageslicht erhält der Neubau über ein in Anlehnung an das Treppenhausband ebenfalls blitzförmig ausgebildetes Oberlicht im zweiten Obergeschoss: „Die Idee, die Dachfläche durch ein Oberlicht zu öffnen und als fünfte Fassade in die Planung zu integrieren, ist bereits bei unserem ersten Besuch vor Ort entstanden“, so Markus Sporer. „Denn auf diese Weise konnten wir die Aussichtsplattform des nebenan gelegenen Förderturms und die von dort aus mögliche Aufsicht auf das Gebäude in die Planung einbeziehen. In umgekehrter Richtung ist gleichzeitig ein freier Blick vom Innenraum des Museums auf den Förderturm möglich.“

Luftiger Innenraum

In den beiden Obergeschossen des Neubaus befindet sich jeweils ein rund 400 Quadratmeter großer Ausstellungsraum mit einer lichten Höhe von sechs Metern im ersten Obergeschoss und vier Metern im zweiten Obergeschoss. Beide Räume sind über einen Deckenausschnitt miteinander verbunden, der für offene Blickbeziehungen zwischen beiden Ebenen sorgt und den luftigen Raumeindruck noch betont. Das Erdgeschoss beherbergt eine zusätzliche Ausstellungsfläche von rund 60 Quadratmetern und integriert gleichzeitig das Foyer, das Fluchttreppenhaus, die Besucher-Toiletten, zusätzliche Nebenräume (Anlieferung, Lager, Elektrozentrale) sowie einen Lastenaufzug. Die öffenbare Glasfront im Erdgeschoss kann gleichzeitig als temporärer Zugang bei Sonderveranstaltungen genutzt werden. Zur Belüftung des Museums wurde eine integrierte Zu- und Abluftanlage mit Wärmerückgewinnung integriert. Die Beheizung bzw. Kühlung der einzelnen Räume erfolgt über eine Bauteilaktivierung der Betonwände und -decken.

Auf sämtlichen Ebenen schaffen die roh belassenen Sichtbetonwände im Verbund mit einem anthrazitfarbenen Magnetestrich einen zurückhaltenden Rahmen für die vielfältigen Exponate zur Geschichte des Ruhrgebietes und des Bergbaus. Im Erdgeschoss, und damit am Ende des Ausstellungs-Parcours, erwartet die Besucher dann ein kleinerer, beinahe sakral anmutender Raum, der mit seiner geheimnisvollen Beleuchtung fast schon an den Innenraum einer Kapelle erinnert. Hinter großen Glasvitrinen trifft der Blick hier auf zahllose Skulpturen und Abbildungen der Heiligen Barbara. Als architektonische Hommage an die christliche Märtyrerin aus dem 3. Jahrhundert n. Chr., die seit jeher als Patronin der Bergleute verehrt wird.

© Text: Robert Uhde

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