“Made by Pininfarina” – Das Peugeot 504 Coupé

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  1. Buchpublikation

Texte für ein Buch über das Peugeot 504 Coupé© WARMUTH UnLtd Medienmanufaktur

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„Ich glaube ja ehrlich gesagt, dass diejenigen, die versuchen, die Bedeutung der Ästhetik eines Autos herunterzuspielen, das in Wahrheit nur tun, weil sie selbst ganz einfach keine schönen Autos entwerfen können.“ Sergio Pininfarina, 1977

Als der Industriedesigner Sergio Pininfarina 1966 von Peugeot beauftragt wurde, das Coupé für den neuen 504 zu zeichnen, da war die Marke „Pininfarina“ längst eine Legende und zählte europaweit zu den ersten Adressen für elegantes Automobildesign. Die in Cambiano unweit von Turin ansässige Karosseriebaufirma war 1930 von Sergios Vater Battista „Pinin“ Farina gegründet worden und hatte seit den 1950er-Jahren zahlreiche Modelle für Ferrari, Alfa Romeo, Lancia, Fiat, Maserati oder Jaguar und später auch für Cadillac entworfen. Die erfolgreiche Zusammenarbeit mit Peugeot geht ebenfalls schon auf das Jahr 1951 zurück. Damals hatte der französische Automobilhersteller einen unabhängigen Designer für seinen neuen „403 Saloon“ gesucht und war dabei auf die „Carrozzeria Pinin Farina“ gestoßen. Mit überwältigendem Erfolg: Der 1955 präsentierte Wagen wurde bis zur Einstellung der Produktion im Jahr 1967 mehr als 1,2 Millionen Mal verkauft.

Elegante Linienführung

Die Messlatte für das neue 504 Coupé lag also hoch – und das nicht zuletzt auch deshalb, weil Sergio Pininfarina nach dem Tod seines Vaters im Jahr zuvor als Generaldirektor jetzt die alleinige Verantwortung für das Familienunternehmen trug. Die erfolgreiche Fortsetzung der Tradition und das Heraustreten aus den Fußstapfen des Vaters gelangen jedoch mühelos. Statt das angefragte Coupé und mit ihm das Cabriolet lediglich als Schrägheckvariante der 1968 erschienenen Limousine zu entwerfen, entwickelte Sergio Pininfarina eine bewusst eigenständige Karosserie, die sich insbesondere durch ihre sanft geschwungene Linienführung auszeichnet Als der Zweitürer 1969 auf dem Genfer Autosalon vorgestellt wurde, überzeugte er die anwesenden Besucher und Kritiker auf Anhieb. Die zeitlose Eleganz des Autos, gepaart mit dem anspruchsvollen und robusten Fahrwerk der Limousine, machte das Coupé zur viel bewunderten Ikone und zum ästhetischen Aushängeschild der Marke Peugeot in den 1970er-Jahren.

„Es gibt keine einzige Zeichnung, keinen einzigen Entwurf, der unsere Fabrik ohne meine Zustimmung verlässt“, erklärte Sergio Pininfarina. Und bei kaum einem anderen Automobil zeigt sich diese große Liebe zum Detail so sehr wie bei seinem 504 Coupé. Die zurückhaltende und ausgewogene Formgebung zeigt eine unaufgeregte Stilsicherheit, die ohne überflüssige Details auskommt und damit auf den ersten Blick die hohe Expertise des Hauses Pininfarina belegt. Die direkte Verwandtschaft zu anderen Pininfarina-Modellen wie dem Ferrari 250 GT Coupé (vorgestellt 1953), dem Lancia Flaminia Coupé (1957) oder dem Cadillac Brougham Jacqueline Coupé (1961) bleibt dabei unverkennbar.

Betont wird dieLinienführung des 504 Coupé durch eine dynamisch gestaltete Frontpartie, die anders als die Limousine zunächst vier Einzelscheinwerfer statt zweier Doppelscheinwerfer vorsieht. Die Heckpartie erhält durch Rückleuchten mit schräg stehenden Einzelelementen ihren unverwechselbaren Charakter (nach dem Facelift von 1974 wurden jedoch Doppelscheinwerfer sowie rechteckige Rückleuchten integriert). Ein typisches Detail der späten 1960er-Jahre sind außerdem die dreieckigen Ausstellfenster mit Drehknopfbedienung, die eine angenehme Frischluftzufuhr ohne Zugluft ermöglichen. Darüber hinaus wurden die Türgriffe nicht mehr wie bei der Limousine auf die Türen montiert, sondern in die Türen eingelassen.

Französisch-italienische Koproduktion

Pininfarina war nicht nur für den Entwurf des 504 Coupé verantwortlich, sondern stellte auch die Karosserien der Fahrzeuge im eigenen Werk her. Erst zur Endmontage wurden die halbfertigen Automobile dann ins Peugeot-Werk im französischen Sochaux ausgeliefert, wo abschließend noch Motor, Getriebe und Fahrwerk ergänzt wurden. Das Ergebnis dieses perfekten Zusammenspiels kann sich bis heute sehen lassen. Und es liegt auch nach wie vor gut auf der Straße: Denn trotz der anfänglich lediglich 97 PS, die den 1,8-Liter-Vierzylindermotor (ab 1971 mit 2 Liter Hubraum und 104 PS bzw. ab 1977 mit 106 PS) bis zu einer Höchstgeschwindigkeit von 170 Stundenkilometern antrieben, lässt sich das Auto mit seiner fein ansprechenden McPershon-Federbeinachse im Verbund mit der servounterstützten Zahnstangenlenkung angenehm direkt fahren. So angenehm jedenfalls, dass sogar der legendäre Enzo Ferrari seinerzeit zu den Liebhabern des Wagens gehörte.

Ab 1975 wurde das 504 Coupé auch als sechszylindriges Modell mit 136 PS und mit 2,6 Liter Hubraum angeboten. Seit 1977 war es dann sogar mit einer Leistung von 144 PS in Verbindung mit einer Dreigang-Automatik erhältlich. Kaum zufällig also, dass das Auto seinerzeit häufig als „französischer Mercedes“ tituliert wurde. Die zwischenzeitliche Überlegung, den Wagen mit einem Achtzylinder-Motor auf den Markt zu bringen, war aufgrund der ersten Ölkrise allerdings wieder verworfen worden.

Komfortabler Gran Turismo

Trotz seiner fließenden Formgebung war das 504 Coupé ganz bewusst nicht als Sportwagen, sondern als sparsam motorisierter Gran Turismo konzipiert worden. Der lichte, ausreichend große Innenraum mit seinem leicht gediegenen Charme und den bequemen Sitzen bietet dabei selbst zu viert gehobenen Fahrkomfort. Komplettiert wird die gehobene Ausstattung durch serienmäßige Scheibenbremsen vorn und hinten, elektrische Fensterheber sowie eine Kugelfischer-Benzineinspritzung, die für einwandfreie Übergänge und einen vergleichsweise sparsamen Verbrauch unter 10 Litern sorgt.

Der finanzielle Erfolg des 504 Coupé hielt sich trotz dieser hohen Qualität von Anfang an in Grenzen. Und das, obwohl die 504 Limousine kurz nach ihrer Markteinführung 1969 zum „Auto des Jahres in Europa“ gewählt worden war und sich anschließend bis zu ihrem Produktionsstop 2005 mehr als 3,7 Millionen Mal verkaufte. Lange Zeit war die Limousine damit das meist gefahrene Modell von Peugeot. Großen Erfolg erzielte sie insbesondere in Afrika, wo sie aufgrund ihrer Robustheit bis heute zu den beliebtesten Fahrzeugen auf dem gesamten Kontinent zählt. Der Verkauf der Pininfarina-Variante verlief demgegenüber vergleichsweise schleppend: Bis zum Produktionsende 1983 liefen insgesamt lediglich rund 26.000 Coupés und rund 8.000 Cabrios vom Band. Die Zurückhaltung der Käufer hatte aber wohl weniger mit dem Auto selbst, als mit dem Geldbeutel der Kunden zu tun. Denn mit einem Preis von zuletzt fast 40.000 DM konkurrierte das Auto trotz seiner vergleichsweise überschaubaren Motorenleistung mit hochwertigen Modellen von Mercedes. Dem guten Ruf haben die überschaubaren Verkaufszahlen aber keinen Abbruch getan. Im Gegenteil: Wer heute ein gut erhaltenes 504 Coupé fahren will, der wird schnell 10.000 Euro auf den Tisch legen; und dabei auch in Frankreich eine ganze Weile suchen müssen, bis er ein geeignetes, und vor allem rostfreies Modell findet.

© Text: Robert Uhde
© Foto: Torsten Warmuth

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