“Anne-Frank-Haus in Amsterdam”

Created in 2001

Kategorie

  1. Architekturjournalismus

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Erweiterung des Anne-Frank-Hauses in Amsterdam

Das Haus in der Prinsengracht 263 zählt zu den bekanntesten Adressen in der Amsterdamer Innenstadt. In dem Gebäude hielt sich Anne Frank gemeinsam mit ihren Eltern und fünf weiteren Bewohnern zwei Jahre lang vor den Nazis versteckt, bevor sie Ende 1944 verraten und kurz darauf qualvoll in Bergen Belsen starb. Aufgrund des hohen Besucherandrangs – seit seiner Eröffnung im Jahr 1960 sind mehr als 18 Millionen Menschen die steilen Treppen hinauf gestiegen –, wurde das Haus 1999 durch einen anstelle eines abgerissenen Eckgebäudes neu errichteten Erweiterungsbau ergänzt. Das neue Volumen integriert nicht nur sämtliche Büros und musealen Vorrichtungen wie Ein- und Ausgänge, Toiletten, Ausstellungsräume, museumspädagogische Räume, Mediathek, Buchhandel und Café, sondern stellt überdies auch 20 Studenten-Appartements zur Verfügung. Als Brücke zwischen Alt und Neu fungiert dabei ein neu eingefügter Durchgang, der vom Haus 263 in das benachbarte und ebenfalls renovierte Haus 265 und von dort über einen offenen Lichthof in den Erweiterungsbau führt.

Bei der Gestaltung der Außenfassaden entschieden sich die mit der Planung des Umbaus beauftragten Amsterdamer Architekten Jan Benthem und Mels Crouwel für eine moderne Fassung der typischen Grachtenhaus-Aufteilung mit Souterrain, Belétage und auskragender Dachleiste. In den unteren beiden Ebenen verdunkeln vertikale Jalousien die Wechselausstellungsräume, in den darüber liegenden Bürogeschossen bilden Rasterung, Materialwahl (dunkelbrauner Backstein) sowie die Ausbildung des Dachgesimses einen fließenden Übergang zur alten Bebauung. Der deutlich vom Museum getrennte viergeschossige Wohntrakt zum Westermarkt wurde demgegenüber fast mediterran ausgebildet: Durch großzügig geschnittene Balkontüren mit horizontal verschiebbaren, dunkelgrünen Fensterläden bietet sich den Studenten von hier aus eine freie Aussicht auf die nahe gelegene Westerkerk.

Der Umbau des „eigentlichen“ Anne-Frank-Hauses bietet ganz bewusst keine vollständig authentische Rekonstruktion, sondern lässt vor allem die Atmosphäre der vierziger Jahre spürbar werden. Nach Entfernung sämtlicher nachträglich hinzu gefügter Museumseinbauten wurden die einzelnen Räume anhand von alten Grundrissplänen, Fotos und Farbanalysen weitgehend originalgetreu verputzt und mit neuen, aber zeitgenössischen Tapeten und Böden ausgestattet. Im ehemaligen Magazin von Otto Franks Betrieb Opektra findet sich also wieder der ursprünglich backsteinerne Flur und in dem zum Innenhof hin gelegenen Büro im ersten Geschoss wurde wieder Linoleum verlegt. Das nebenan liegende Privatbüro und die ebenfalls rekonstruierte Betriebsküche mit der Anrichte aus Granit sind zwar noch immer nicht öffentlich zugänglich, durch die gläserne Tür hindurch können die Besucher inzwischen aber immerhin einen Blick auf die einzigen noch erhaltenen Möbel des Hauses werfen. Sämtliche anderen Einrichtungsgegenstände waren kurz nach der Verhaftung durch die Gestapo entwendet worden.

Bei der Restaurierung des berühmten Hinterhauses mussten nicht nur originalgetreue Tapeten und Bodenbeläge gefunden, sondern vor allem eine konservatorische Lösung für die von Anne Frank an die Wand ihres Zimmers geklebten Bilder und Fotos entwickelt werden. Um die durch den eigens hinzu gezogenen Papier-Restaurator Nico Lingbeek aufwändig behandelte Sammlung vor weiterem Verfall zu bewahren, werden sämtliche „plaatjes“ durch Glasscheiben bedeckt. Weitgehend unsichtbar sind dagegen die Brandschutzvorrichtungen und die in einem Kasten verborgene Lüftungsanlage, die in den stark frequentierten, mit schwarzer Gaze hermetisch von der Außenwelt versteckten Räumen für ausreichend Frischluft sorgen soll.

© Text + Foto: Robert Uhde

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