“Architektur im Dienst der Marke”

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Was die Automobilkonzerne BMW, Porsche und Mercedes mit Siemens, Olivetti oder Vitra Design gemeinsam haben? Sie alle setzen bei der Planung ihrer Firmen- und Produktionsgebäude auf die Wirkung von “Corporate Architecture”. Mit namhaften Planungsbüros und einer wiedererkennbaren Architektur soll dabei ein medienwirksames Markenimage geschaffen und befördert werden.

Immer wenn von „Corporate Architecture“ die Rede ist, von Architektur also, die sich in den Dienst einer Marke stellt, dann fällt schnell der Name der nordspanischen Stadt „Bilbao“. Bis Mitte der 1990er-Jahre galt die krisengebeutelte Industrie- und Hafenmetropole an der Biskaya als trist und wenig ansehnlich. Das änderte sich schlagartig, als 1997 der von Frank O. Gehry entworfene Neubau des Guggenheim-Museums eröffnet wurde. Die silbrig schimmernde, bizarr zerklüftete Architektur aus Titan, Glas und Sandstein machte die Stadt im Handumdrehen zum Touristenmagneten und ermöglichte gleichzeitig eine deutliche Aufwertung der gesamten Region. Bis heute pilgern Jahr für Jahr rund eine Million Besucher aus aller Welt ins Baskenland, um den spektakulären Bau zu bestaunen.

Weltweiter Impuls

Das Guggenheim-Museum hat aber nicht nur direkt vor Ort für neue Impulse gesorgt, sondern auch die weltweite Debatte über den Zusammenhang von Architektur und Identität neu belebt. Wirklich neu ist diese Diskussion allerdings nicht. Immerhin hatte der Elektrokonzern AEG schon 1907 den Architekten Peter Behrens zum künstlerischen Berater berufen. Und der hatte dann drei Jahre später mit der von ihm entworfenen Turbinenfabrik in Berlin demonstriert, wie sehr neben Werbematerial, Logo-Entwürfen und Produktdesign auch die architektonische Gestaltung von Firmengebäuden die Wahrnehmung eines Unternehmens prägen kann. Mit seiner klaren Funktionalität, den großen Glasflächen und der sichtbar gebliebenen Tragewerkskonstruktion wurde der industrielle Zweckbau regelrecht zur „Kathedrale der Arbeit“ und trug so nachhaltig zur Identität der Marke AEG bei.

„MAN IST SO, WIE MAN SICH ZEIGT, UND MAN ZEIGT SICH SO, WIE MAN IST.“ Otl Aicher

Ein weiterer Pionier der Corporate Architecture ist der italienische Bürogerätehersteller Olivetti, der bei der Planung seines 1938 fertiggestellten Hauptsitzes auf die Zusammenarbeit mit dem Industriedesigner und Architekten Marcello Nizzoli setze. Ende der 1960er-Jahre beauftragte das Unternehmen außerdem Egon Eiermann mit der Planung seines Verwaltungsgebäudes in Frankfurt/Main, das rückblickend zu den bedeutendsten Bürogebäuden der 1960er-Jahre zählt. Ein noch bekannteres Beispiel für Corporate Architecture aus dieser Zeit ist das 1973 nach Plänen von Karl Schwanzer fertiggestellte „Vierzylinderhaus“ in München. Die Zentrale des Autoherstellers BMW gilt bis heute als perfekte Umsetzung einer Produktmarke in Architektur.

Neue Rolle der Architektur

Die Rolle von Architektur als „gebauter Visitenkarte“ ist also nicht neu, sie hat sich jedoch zuletzt stark gewandelt. Denn durch das computergestützte Entwerfen und die Entwicklung neuer Materialien und Bautechniken sind immer freiere, bislang undenkbare Formen möglich, die sich immer besser mit der jeweiligen Unternehmensphilosophie in Einklang bringen lassen. Je nach Zielrichtung lassen sich damit so unterschiedliche Werte wie Emotionalität, Modernität, Prestige, Authentizität, Präzision oder Zuverlässigkeit unmittelbar vermitteln. Hinzu kommt die zunehmende Bedeutung von Werbung und Neuen Medien. Immer häufiger wird die Architektur dabei zum entscheidenden Baustein innerhalb von öffentlichkeitswirksam inszenierten Gesamtauftritten eines Unternehmens.

Bunte Architektur-Spielwiese

Ein Vorreiter dieses neuen Verständnisses von Corporate Architecture ist der Schweizer Möbelhersteller Vitra Design. Seit 1981 hat das Unternehmen so bedeutende Architekten wie Nicholas Grimshaw, Frank O. Gehry, Zaha Hadid, Tadao Ando, Alvaro Siza, Herzog & de Meuron oder SANAA mit der Planung seiner neuen Fabrikations- und Verwaltungsbauten am Standort Weil am Rhein beauftragt. Inzwischen hat sich der Campus damit zur viel besuchten Architektur-Spielwiese gewandelt, die eine große Strahlkraft auf die Marke Vitra ausübt.

„MARKEN BRAUCHEN EINEN LEBENSRAUM, DER IHRE AUSSTRAHLUNG ERLEBBAR MACHT.“ Markenverbands-Hauptgeschäftsführer Christoph Kannengießer

Ähnliche Konzepte verfolgen die Mercedes-Benz Welt in Stuttgart von Ben van Berkel (2006), das BMW-Werk in Leipzig von Zaha Hadid (2005), das Siemens-Forum in München von Richard Meier (1999) oder der Leonardo Glass Cube in Bad Driburg von 3deluxe (2007). Und in Hamburg versucht man gegenwärtig, mit der von Herzog & de Meuron geplanten Elbphilharmonie ein identitätsstiftendes architektonisches Zeichen für die HafenCity zu schaffen.

Ein Denkmal für Porsche

Große Aufmerksamkeit hat auch das 2009 fertiggestellte Porsche-Museum erhalten. Um die dynamische Ausstrahlung und die hochwertige Technologie der Marke hervorzuheben, gestaltete das Wiener Büro Delugan Meissl Associated Architects den Neubau als kühn ausbalancierte, auf drei asymmetrischen Sockeln ruhende Skulptur mit großen Glasflächen und lichtweißen Fassaden. Trotz seiner gewaltigen Größe scheint der Baukörper damit fast schwerelos über dem flachen Sockelgeschoss zu schweben.

Ein weiteres Projekt, das Architektur als wichtigen Bestandteil der Unternehmensidentität begreift, ist die neue Firmenzentrale für Kaffee Partner in Osnabrück. Um den Anbieter von gewerblich genutzten Kaffeevollautomaten repräsentativ in Szene zu setzen, entwickelte das Wiesbadener Architekturbüro 3deluxe ein stimmiges Ensemble aus drei Gebäudeteilen. Die dynamische Formensprache in strahlend weißer Helligkeit vermittelt entsprechend der Firmenphilosophie neben Offenheit auch expressive Emotionalität, Sinnlichkeit und Leidenschaft. Zentraler Blickfang sind dabei die asymmetrisch geschwungenen Fassadenbänder und die organisch auskragenden Geschossdecken, die im Zusammenspiel mit dem umgebenden Hafenambiente schnell die Assoziation an ein elegantes Kreuzfahrtschiff hervorrufen. Der Aufenthalt im angegliederten Café wird für die Besucher somit schnell zum Kurztrip nach Übersee. Perfekt. Eine bessere Werbung hätte dem Unternehmen gar nicht passieren können.

© Text + Foto: Robert Uhde

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