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Die Teilnahme an Wettbewerben ist trotz der deutlich verschärften Wettbewerbssituation nach wie vor ein weit verbreitetes Mittel, um an Aufträge zu gelangen. Doch die Ausdehnung bis hin zur europaweiten Ausschreibung führt inzwischen regelmäßig zu Wettbewerben, die wegen der hohen Anzahl der Teilnehmer häufig nicht mehr angemessen durch ein Preisgericht gewürdigt werden können. Dass die Teilnahme dennoch lohnt, beweisen nicht nur die Großen der Branche.
Absoluter “Marktführer” in Sachen Architekturwettbewerbe ist das Hamburger Planerduo Meinhard von Gerkan und Volkwin Marg, für das die Teilnahme an Ausschreibungen von Anfang ein zentrales Erfolgskonzept bedeutete: Seit 1965 hat gmp an mehr als 1.000 nationalen und internationalen Wettbewerben teilgenommen und konnte dabei rund 170 erste Preise einfahren – ein weltweit einzigartiger Erfolg, den Volkwin Marg vor allem darauf zurückführt, dass “wir jede Aufgabenstellung so angehen, als würde sie zum ersten Mal gestellt.”
Von zentraler Bedeutung innerhalb des mehrstufigen Entwurfsprozesses von gmp ist die intensive Auseinandersetzung mit dem Standort, also die Berücksichtigung des jeweiligen “Genuis Loci”. “Danach setzen wir uns mit dem geforderten Programm auseinander und versuchen, es inhaltlich zu organisieren”, berichtet Volkwin Marg – “ein Prozess, der häufig sehr schwierig ist, denn oftmals erweisen sich die Ausschreibungen als völlig unstrukturiert. Hat sich aus dem Inhalt dann ein Gebäudezusammenhang ergeben, so entwickeln wir im Dialog zwischen dem Ort und dem jeweiligen Aufgabeninhalt eine sehr spezifische und unverwechselbare Lösung, die beide miteinander verbindet. Last not least stellen wir dann die Frage, welches soziale Angebot wir für die Menschen inszenieren können, so dass für eine normale Aufgabe durch einfache Mittel eine besondere Qualität für das private oder öffentliche Verweilen entsteht.”
90 % aller Wettbewerbseinstiege von gmp beginnen im Kopf – “entweder bei meinem Partner oder bei mir”, erklärt Volkwin Marg. “In einem zweiten Schritt wird diese erste Idee dann manuell skizziert und schließlich als Konzeptansatz mit ein oder zwei Partnern verifiziert. Erst danach beginnt die eigentliche Teamarbeit, bei der sämtliche konstruktiven und funktionellen Fragestellungen detailliert durchgearbeitet und Präsentationen abgesprochen werden.” Ein enormer Vorteil ist dabei der unterschiedliche Erfahrungshintergrund der einzelnen Mitarbeiter, denn durch die fortlaufende Integration jüngerer Mitarbeiter kann gmp auf eine fruchtbare Synthese von jugendlichem Enthusiasmus auf der einen, und Erfahrenheit auf der anderen Seite bauen.
Das Büro gmp lebt zu 90 % von Wettbewerbserfolgen und ist im Hinblick auf seine große Mitarbeiterschaft permanent darauf angewiesen, Wettbewerbe zu gewinnen. “Deshalb nehmen wir genauso wie unsere Kollegen an fast allen Ausschreibungen teil”, berichtet Volkwin Marg. “Besonders vielversprechend sind dabei natürlich anonyme Wettbewerbe, denn die sind am ehesten objektiv – allein auf den Entwurf bezogen darf man schließlich nicht vergessen, dass die Mehrheit der Jury aus Architekten besteht, die natürlich neue Talente entdecken und unbekannte Büros fördern wollen. Unser Bekanntheitsgrad ist dafür in der Regel eher nachteilig.” Darüber hinaus setzt das Büro vor allem auf Ausschreibungen, hinter denen konkrete kurzfristige Aufgaben stehen und die ein korrektes Verfahren beinhalten: “Das ist in Europa in der Regel der Fall”, erklärt Volkwin Marg. “In Deutschland sorgt dabei die GRW für eine vorbildliche Korrektheit des Verfahrens und bestimmt, dass die Mehrzahl der Jury durch Fachbereichsrichter besetzt ist. Allerdings verfolgen einzelne Mitglieder bisweilen voreingenommen ganz bestimmte Architekturtrends, so dass die Teilnahme an manchen Ausschreibungen trotz formaler Korrektheit inhaltlich fragwürdig wird.”
Ganz anders verlaufen Ausschreibungen im Ausland, und vor allem außerhalb Europas, denn dort müssen in der Regel auch Laien mit überzeugt werden. Eine relativ neue Erfahrung für gmp ist dabei seit einigen Jahren die Teilnahme an Ausschreibungen in China: Während der letzten fünf Jahre hat das Büro hier über 70 Entwürfe entwickelt – von Universitäten und Museen bis hin zu Shanghais Satellitenstadt “Luchao”, wo sich ab 2005 die ersten von etwa 70.000 Menschen ansiedeln sollen. Durch das atemberaubende Tempo, in der sich die Städte in China erweitern und verdichten, sehen sich die Architekten hier mit einem radikal verschärften internationalen Wettbewerbswesen konfrontiert – “schnell multiplizieren sich dabei der Aufwand und die damit verbundenen Kosten um ein Vielfaches”, berichtet Volkwin Marg über seine Erfahrungen. “Illuminierte Modelle, Computer-Animationen, Filmpräsentationen, Schautafeln und Videobeamer sind eine Selbstverständlichkeit. Wer hier nicht mithalten kann und nicht in der Lage ist, in kürzester Zeit eine professionelle Präsentation zu liefern, der hat letztlich wenig Chancen.”
Doch auch bei uns sind Ausschreibungen eine riskante Angelegenheit: “Wettbewerbe sind immer mit einem hohen Kosten und Kraftanstrengungen verbunden, natürlich, doch letztlich habe ich die Alternative, entweder mit einem Sektglas auf Empfängen rumzustehen oder an spannenden Projekten zu arbeiten. Durch unsere hohe Trefferquote hat sich der Aufwand letztlich aber noch immer voll ausgezahlt.” Dennoch gibt es auch bei gmp natürlich immer wieder Durststrecken – “doch wer gewinnen will, der muss auch verlieren können.”
Auch die Hamburger Architekten Bothe Richter Teherani haben von Anfang an konsequent auf die Teilnahme an Wettbewerben gesetzt. Seit ihrem Erfolg bei der Ausschreibung für das Hamburger Autohaus Car & Driver (1990) läuft bundesweit kaum ein Wettbewerb, an dem BRT nicht beteiligt wäre. Unverwechselbare Kennzeichen ihrer Arbeit sind dabei die Spezialisierung auf technologisch innovative Großbauten sowie die ganzheitliche Integration von Vermarktung und Öffentlichkeitsarbeit. Gebündelt werden sämtliche Entwurfs- und Marketing-Aktivitäten durch Hadi Teherani, der es wie kaum ein anderer Architekt versteht, Persönlichkeit, kreative Handschrift und populäres Auftreten miteinander zu verbinden.
Um erfolgreich an Wettbewerben teilnehmen zu können, verfügt das mit rund 150 Mitarbeitern besetzte Büro über ein Team junger Architekten, Designer und Grafiker sowie über eine hochmoderne technische Ausrüstung. So kann der gesamte Beitrag in enger Absprache mit Hadi Teherani komplett “inhouse” realisiert werden. “Vom sogenannten “first-kiss-Treffen”, bei dem über Aufgabenstellung und erste konzeptionelle Ideen gesprochen wird, bis zur Abgabe des Wettbewerbs, wird der Entwurf dabei kontinuierlich an Arbeitsmodellen überprüft”, wie Hadi Teherani erklärt.
Rund 70 % aller durch BRT realisierten Projekte gehen auf gewonnene Wettbewerbe zurück. Jedem neuen Projekt begegnet das Büro dabei mit einer professionellen Verbindung aus Offenheit, Erfahrung und Flexibilität: “Durch eine detaillierte Analyse der Aufgabe und des Ortes gelangen wir zu einer ganzheitlichen Lösung, die insbesondere im Hinblick auf die Kombination ökonomischer und ökologischer Aspekte innovativ sein soll”, beschreibt Hadi Teherani die Herangehensweise seines Büros. Den meisten Erfolg versprechen dabei geladene Realisierungswettbewerbe: “Ideenwettbewerbe sind zwar häufig eine tolle kreative Herausforderung, doch bei geladenen Realisierungswettbewerben ist die Absicht zur späteren Umsetzung des Entwurfs am größten”, berichtet Hadi Teherani über seine Erfahrungen. “Um den Einstieg in teiloffene Wettbewerbe zu schaffen, stimmen wir die Bewerbungsunterlagen sehr bewusst auf das Thema und die Aufgabenstellung des Wettbewerbs ab. Unser Vorteil ist dabei, durch eine Anzahl guter Referenzprojekte die Jury nicht nur durch Kompetenz, sondern auch durch effiziente, innovative Gebäudekonzepte überzeugen zu können.”
Auch für den Amsterdamer Architekten Paul de Ruiter bedeutete ein großer Wettbewerbserfolg den Grundstein für einen erfolgreichen Büroeinstieg: Als gerade 32-jähriger gewann er 1994 einen geschlossenen Wettbewerb zur Planung eines Bürogebäudes im Nijmegener Technologie- und Wissenschaftspark “Mercator”. Und da die ausgelobten Entwürfe für “Mercator 1” seinen Bauherrn überzeugt hatten, erhielt er zwei Jahre später den Auftrag für fünf weitere Gebäude des Wissenschaftsparks – ein Volumen, mit dessen “Abarbeitung” er noch heute zu tun hat!
Kennzeichnend für die Entwürfe von Paul de Ruiter sind eine exakte Analyse der architektonischen Form, des städtebaulichen Kontextes und der vorgesehenen Materialien sowie die Integration von wissenschaftlichen Untersuchungen zu Energie-Einsparung oder Bauphysik. Durch die überschaubare Größe seines Büros hält der Architekt dabei von Anfang an sämtliche Fäden selbst in der Hand. “An offenen Wettbewerben nehmen wir jedoch nur selten teil”, berichtet er, “denn die Chance, dort zu gewinnen, ist aufgrund der hohen Teilnehmerzahl einfach zu klein. Wenn wir dennoch teilnehmen, dann nur bei einer interessanten internationalen Ausschreibung. Dabei geht es uns dann von vorn herein weniger darum, zu gewinnen, sondern eher darum, uns losgelöst von der alltäglichen Praxis weiter mit technischen und theoretischen Fragestellungen auseinanderzusetzen.”
Als wesentlich erfolgversprechender erachtet Paul de Ruiter stattdessen geschlossene Ausschreibungen mit lediglich drei bis fünf geladenen Büros – “dabei konzentriert sich dann unser ganzes Team auf die Entwurfsaufgabe. Das Problem ist nur, dass man erst mal auf eine solche ‘short list’ kommen muss, denn die Europäischen Auswahlkriterien sind für junge Büros ziemlich hart. Meist wird eher im Hinblick auf Referenzen als nach Qualität selektiert.” Der Erfolg gibt ihm dennoch recht, denn bis heute hat das Büro sämtliche geladenen Wettbewerbe auch gewonnen. Als wichtigste Entwurfsziele erwähnt Paul de Ruiter dabei die Vertiefung der Fragestellung sowie die Faktoren Originalität, Kreativität, Innovation und Präsentationsqualität. “Darüber hinaus beschäftigen wir uns auch mit Parametern wie Dauerhaftigkeit, Unterhaltungskosten und Optimierung des Entwurfsprozesses – alles Elemente, die zum kostengünstigen Bauen beitragen.”
Wie wichtig die Teilnahme an Wettbewerben zu Beginn der Berufslaufbahn sein kann, beweist auch das junge Bremer Architekturbüro gruppe omp, das vor wenigen Monaten durch den Neubau seines eigenen Büros “QBOX 123” in Rastede bei Oldenburg auf sich aufmerksam gemacht hat und das in den vergangenen beiden Jahren mehrere Ausschreibungen erfolgreich bestritten hat. “In unseren Augen ist das Wettbewerbswesen eines der wichtigsten Instrumente zur Förderung der Baukultur”, berichten die drei Büropartner Oliver Ohlenbusch, Sven Martens und Oliver Platz. Als Grundprinzip der kreativen Arbeit und als Ursprung jeder Idee betrachten sie dabei die Kommunikation im Team: “Deshalb gibt es bei uns keine Idee und kein Argument ohne die Zu- und Abrede des anderen”, meint Oliver Platz. “Für viele unserer Beiträge suchen wir außerdem die Kooperation mit Gleichgesinnten und benachbarten Disziplinen.”
Ihre eigenen Projekte sind sowohl von der Sehnsucht nach Vergangenem als auch durch einen positiven Blick auf die Zukunft geprägt. Immer wieder zeigt sich dabei Ihre Lust zur Provokation – bei ihrer QBOX 123 integrierten sie etwa eine 3,40 Meter hohe WC-Tür und ihren Messestand für OGIO errichteten sie als einen Turm von Euro-Paletten! “Im Bauherren-Sammelsurium bleibt eine interessante bauliche Idee möglicherweise auf der Strecke. Mit guten Argumenten einer fachkundigen Jury lässt sich Ungewöhnliches oder Neues dagegen in aller Regel viel eher realisieren”, berichtet Oliver Ohlenbusch. “Deshalb sind Wettbewerbe für uns die ideale Plattform, unsere Visionen öffentlich zu machen. Unser Grundprinzip ist dabei, verantwortungsvoll und verbindlich mit der Aufgabe umzugehen und aus Ort und Aufgabe einen selbstverständlichen und selbstbewussten Entwurf zu entwickeln.” Systematisiert lässt sich die Annäherung des Büros an Wettbewerbe in drei Bereiche unterteilen: “In einer Analysephase versuchen wir die gegebenen Strukturen zu erfassen und zu sortieren”, berichtet Sven Martens. “Darauf aufbauend versuchen wir dann, die geforderten Funktionen aus dem Programm abzuarbeiten. Davor, danach oder dazwischen entwickeln wir eine übergreifende, den Entwurf prägende Idee, die in den Entwurf eingearbeitet wird, oder aus der sich der Entwurf ergibt.”
Bei ihrem Wettbewerb für ein Musikzentrum in Hamburg St.Pauli galt es vor allem, “eine Idee zu verräumlichen”, erklärt Oliver Platz. “Die Ausgangsbasis war dabei, dass die Stadt Hamburg ihr Profil im Bereich der Musikbranche gegenüber anderen Städten stärken und der Musikszene ein Gebäude zur Verfügung stellen will, das ihnen entspricht und das eine ihnen entsprechende Aufmerksamkeit erzeugt. Als wichtigste Fragestellungen ergaben sich somit: Was muss das Gebäude können (Kosten, Schallschutz, Wärmeschutz, Sonnenschutz, Grundrissorganistation, Erfüllung des Programms bei Wahrung der erforderlichen Flexibilität und Erweiterbarkeit) und was muss es kommunizieren? Als spezifische Antwort auf diese Anforderungen haben wir ganz bewusst eine zeichenhafte Form entwickelt, die dem Gebäude eine unverwechselbare Identität als großmaßstäbliche Skulptur gibt und damit gleichzeitig die marketingstrategischen Ziele des Musikzentrums unterstreicht” – eine Lösung, die die Jury durchaus überzeugte, denn immerhin belohnte sie den Entwurf mit einem Ankauf. Ein Erfolg, der Lust auf mehr macht.
© Text + Foto: Robert Uhde