“Offene Bürolandschaft”

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Kategorie

  1. Architekturjournalismus

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A-Factory in Amsterdam

Mehr als 60 Jahre lang besaß die 1887 gegründete und seit 1896 in Amsterdam angesiedelte Firma Simplex eine der größten Fahrradfabriken der Niederlande. 1953 bezog das Unternehmen ein größeres Fabrikgebäude in der Pilotenstraat unweit des Flusses Schinkel. Mit wenig Erfolg, denn schon 12 Jahre später stand das Traditionsunternehmen vor dem Aus: 1968 wurde Simplex dann zunächst an Gazelle und im Jahr 2000 schließlich an die deutsche ZEG verkauft. Die Produktion selbst war bereits 1965 nach Apeldoorn verlagert worden – bis auf Teile der Verwaltung stand der Komplex der Simplex-Fabrik also bereits seit rund vier Jahrzehnten leer.

Erst 1999 wurde entschieden, das Ensemble einer neuen Nutzung als Büro- und Gewerbekomplex zuzuführen. Mit der Planung des Projektes wurden schließlich die Rotterdamer Architekten Willem Jan Neutelings und Michiel Riedijk beauftragt. Die Arbeiten des international renommierten Büros zeichnen sich zumeist als raffiniert verschachtelte Collagen oder urbane Solitäre mit schweren, “rubensartigen” (Willem Jan Neutelings) Formen und ungewöhnlicher Fassadengestaltung aus. Ihr Entwurf für den Umbau der ehemaligen Simplex-Fabrik überzeugt zudem durch seinen gelungenen Kontrast zwischen Alt und Neu: Die vorhandenen, im Zuge des Umbaus aufwändig sanierten Gebäudeteile der ehemaligen Fahrradfabrik – eine imposante Fabrikhalle mit monumentalen Sheddächern sowie zwei angrenzende Büroflügel mit Tonnengewölbe –, wurden dabei durch drei neu errichtete, parallel nebeneinander gelegene Bürogebäude mit weit auskragenden Fensterpartien ergänzt, die als identifikationsstiftende Eingangsfront direkt vor dem bestehenden Fabrikgebäude platziert wurden. Durch die Volumen-Zusammenstellung, die Detaillierung und die Auswahl der verwendeten Materialien gelang dabei ein neues expressives Ganzes aus größeren und kleineren Baukörpern mit unterschiedlichen Charakteren und Nutzungsmöglichkeiten.

Zur weiter nördlich gelegenen Vliegtuigstraat grenzt das Grundstück an ein Gewerbegebiet, nach Süden und Osten hin öffnet es sich zum Wasser des Flusses Schinkel sowie zum vielbefahrenen Knotenpunkt des Amsterdamer Autobahnringes A 10. Die als Antwort auf diesen heterogenen städtebaulichen Kontext entwickelten Neubau-Einheiten bieten mit ihren auskragenden Frontfassaden und ihren großflächigen Fensterpartien einen weiten Ausblick über den angrenzenden Autobahnring und schaffen damit ein ideales Ambiente für Unternehmen, die einen repräsentativen Showroom benötigen. In gegenüber liegender Richtung verweisen die sanft abfallenden Rückseiten der drei Volumen auf die angrenzende Architektur der Fabrikhalle mit ihren sechs parallelen, nach Norden hin geöffneten Sheddachreihen. Verstärkt wird der Bezug zwischen Alt und Neu durch die Verwendung von dunkelbraunem Mauerwerk sowie von elegant profilierten Rahmenprofilen aus Aluminium für die auskragenden Fensterpartien.

Die umgenutzte ehemalige Fabrikhalle bietet einen 115 x 50 Meter großen, offenen Raum, der an der Südwestseite des Grundstückes durch die beiden rechtwinkling zueinander stehenden und ebenfalls sanierten ehemaligen Bürogebäude eingefasst wird. Willem Jan Neutelings und Michiel Riedijk ließen das imposante, fußballfeldgroße Raumkontinuum weitgehend unangetastet, integrierten jedoch vier jeweils 16 x 16 Meter große, komplett verglaste Innenhöfe in den mittleren beiden Sheddach-Reihen. Die Erschließung der einzelnen Gebäudeteilen erfolgt über einen lang gestreckten Gang, der Alt und Neu fließend miteinander verbindet. Die Zugänge befinden sich dabei in den Freiräumen zwischen den drei Neubauten in Richtung Süden. Als weitere Umbaumaßnahmen erfolgten die Wärmedämmung der Außenwände, die Anbringung einer Schalldämmung an der Unterseite der Sheddächer sowie die Anhebung der Böden, um unsichtbar die Leitungen der Zentralheizung sowie die gesamte Verkabelung unterbringen zu können. Der original erhaltene Betonboden liegt daher 35 Zentimeter oberhalb des ursprünglichen Bodenniveaus.

Als Hauptmieter der ehemaligen Fabrikhalle konnte schon im Vorfeld die Amsterdamer Werbeagentur Ogilvy & Mather, eine Filiale der britischen Agentur WPP, gewonnen werden. Um die sanierte Halle exakt den Bedürfnissen der Agentur anpassen und dabei jederzeit auf etwaige Nutzungsänderungen reagieren zu können, verfolgte das mit der innenarchitektonischen Gestaltung der Fabrikhalle beauftragte Büro Witteveen Visch ganz bewusst das Konzept einer offenen Bürolandschaft. Statt fester Unterteilungen wurden daher lediglich halbhohe, mobile Trennungswände eingefügt, die den Raum in flexible Arbeitsinseln unterteilen und gleichzeitig die imposante Räumlichkeit der ehemaligen Fabrikshalle erhalten. Darüber hinaus wurden an verschiedenen Stellen insgesamt acht minimalistisch detaillierte Boxen für unterschiedliche Arbeitsanforderungen eingefügt: Neben zwei aufgeständerten Glasvolumen mit Konferenzräumen und vier stählernen Einbauten mit Einzelplätzen für konzentriertes Arbeiten finden sich auch zwei rot lackierte Arbeitsinseln aus Holz mit Empfangsportal sowie Betriebsküche. Die rund 180 Mitarbeiter von Ogilvy & Mather wissen die gelungene Synthese aus Alt und Neu zu schätzen. Frei von jeder vordergründigen Industrie-Romantik bietet sich ihnen hier ein offenes und lichtdurchlutetes Ambiente, das fast den Charakter eines überdeckten Außenraumes besitzt.

© Text + Foto: Robert Uhde

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