“Diplomatisches Parkett”

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  1. Architekturjournalismus

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Neue Botschaftsbauten der Niederlande

Die Niederlande haben in den vergangenen Jahren mehrere neue Botschaftsgebäude errichtet – darunter die Vertretungen in Berlin (Rem Koolhaas), Warschau (Erick van Egeraat) und Maputo, Mozambique (Claus en Kaan). Durchgehendes Merkmal dieser so unterschiedlichen Projekte ist der deutlich formulierte Anspruch nach Offenheit und Transparenz.

Die Planung einer Auslandsvertretung gehört nicht nur zu den vornehmsten Themenstellungen von Architekten, sie bildet auch eines der wichtigsten Planungsvorhaben eines Landes. Denn als gebaute Visitenkarte soll die Gestaltung eines Botschaftsgebäudes im günstigsten Fall das Selbstverständnis der jeweiligen Nation widerspiegeln und sein Bild im Ausland aufwerten. Den weltweit interessantesten Beitrag zu diesem Genre liefern gegenwärtig zweifelsohne die Niederlande, wo das dortige Außenministerium, das Ministerie van Buitenlandse Zaken, darüber wacht, dass die von ihm in Auftrag gegebenen Projekte eine wiedererkennbare Gestaltung zeigen, die die kulturellen Leistungen der Niederländer in den Bereichen Architektur, Design und Innenarchitektur widerspiegelt und die das Land als eine moderne und offene Gesellschaft präsentiert. „Stärker noch als früher spielt dabei der Kontext der jeweiligen Botschaft eine ganz entscheidende Rolle“, wie Ferdinand Dorsman, der Leiter der Presse- und Kulturabteilung der Niederländischen Botschaft in Berlin betont. „Denn eine europäische Hauptstadt wie Warschau erfordert natürlich eine ganz andere Herangehensweise als eine afrikanische Metropole wie Addis Abeba. Unabhängig davon streben wir aber bei sämtlichen Projekten eine klare und einfache Gestaltung an.“

Rem Koolhaas‘ Glaskubus in Berlin

Der hohe Anspruch der Niederländer kommt nicht von ungefähr, denn nirgends sonst gibt es eine derart intensive Auseinandersetzung über die gesellschaftliche Aufgabe von Architektur und Städtebau. Fast zwangsläufig hat sich die niederländische Architektur daher in den letzten Jahren regelrecht zu einem Exportschlager entwickelt. Prominentestes Aushängeschild ist dabei fraglos Rem Koolhaas, der inzwischen fast monatlich für Schlagzeilen aus allen Winkeln der Welt sorgt – zuletzt mit seiner Bibliothek in Seattle (2004), der im Frühjahr diesen Jahres eröffneten „Casa da Música“ in Porto oder dem Entwurf für das voraussichtlich 2008 realisierte Hauptquartier des chinesischen Staatsfernsehens CCTV. Für mindestens ebenso viel internationales Aufsehen sorgte der Ende 2003 fertiggestellte Neubau der Niederländischen Botschaft in Berlin, wo seit der deutschen Wiedervereinigung und der anschließenden Entscheidung, die Stadt wieder zum Regierungssitz zu machen, dutzende neuer Auslandsvertretungen entstanden sind.

Deutlich aus dem Rahmen fällt schon der Standort, denn anders als meisten anderen Nationen entschieden sich die Niederländer nicht für das Botschaftsviertel am Tiergarten, sondern bauten ganz bewusst am Spreeufer im ehemaligen Ostteil der Stadt.Auf den ersten Blick kommt die dort wie an einer Amsterdamer Gracht platzierte Botschaft fast unscheinbar daher. Statt auf die in Berlin sonst allgegenwärtigen Steinfassaden stößt der Blick dabei jedoch auf eine weitgehend transparente Glashaut, die den Bau ganz selbstverständlich zum Teil des öffentlichen Raumes werden lässt. Direkt dahinter bietet sich dem Besucher ein raffiniertes räumliches Arrangement mit verspringenden Ebenen und einem quer durch sämtliche acht Geschosse mäandernden, rund 200 Meter langen Treppenband, das mit seiner expressiven Dynamik einen bewegten Reflex auf die pulsierende Großstadt darstellt. Den visuellen Höhepunkt markiert dabei die freie Aussicht auf den nahe gelegenen Berliner Fernsehturm.

Der zuletzt mit dem Mies van der Rohe Award 2005 der Europäischen Union bedachte Neubau betont nicht nur die Bedeutung der Beziehungen zwischen den Niederlanden und Deutschland und bietet ein repräsentatives Podium für kulturelle Begegnungen und Aktivitäten, sondern fungiert auch als persönliche architektonische Botschaft des Architekten an Berlin: Denn Anfang der neunziger Jahre, als Koolhaas zum Mitglied der Jury des Ideenwettbewerbes zur Bebauung des Potsdamer Platzes berufen worden war, hatte er die Stadt schließlich verärgert verlassen, weil sich abzeichnete, dass man dort relativ mutlos ausschließlich auf die altbewährte Blockrandbebauung und Steinfassaden setzen würde. Mit dem Bau der niederländischen Botschaft gelang ihm nicht nur eine spektakuläre Rückkehr, sondern auch eine eindringliche Gegenthese zu den strengen Berliner Bauvorschriften.

„Modern Baroque“ in Warschau

Auch für den Neubau der Niederländischen Botschaft in Warschau hat das Ministerie van Buitenlandse Zaken auf einen renommierten Architekten gesetzt und das inzwischen mit Niederlassungen in Rotterdam, London, Moskau, Budapest und Prag vertretene Büro EEA Erick van Egeraat architectural architects ausgewählt. Seit ihrem viel beachteten und inzwischen um einen Neubau ergänzten Erweiterungsumbau eines Budapester Neorenaissance-Gebäudes zum Hauptquartier der ING Bank und Nationale Nederlanden in Budapest (1995) – spektakulärer Höhepunkt war dabei die Aufstockung des Gebäudes durch einen organisch geformten, als „architektonischer Wal“ gestalteten gläsernen Konferenzsaal –, arbeitet das Büro beständig an mehreren Projekten in Ungarn, Tschechien, Polen und Russland. Beeindruckt vom architektonischen Reichtum dieser osteuropäischen Länder hat Erick van Egeraat dabei eine Architektursprache entwickelt, die er selbst gern als „Modern Baroque“ bezeichnet und die zeitgenössische Ansprüche und Standards überraschend mit teilweise ornamenthaften Details verknüpft.

Ein schönes Beispiel für diese Strategie zeigt die Mitte 2004 eröffnete Auslandsvertretung der Niederlande in Warschau, die mit ihrer eleganten Detaillierung ganz bewusst die niederländische Tradition von Transparenz und Offenheit widerspiegelt und sich gleichzeitig sensibel in das grüne Villenviertel des Lazienki-Parks einfügt – des vornehmsten Stadtteils der polnischen Hauptstadt, in dem auch zahlreiche andere Botschaften angesiedelt sind. Der Bau ist relativ klein und besteht aus der 2750 m2 großen Kanzlei und einer 750 m2 großen Wohnung für den Botschafter. Beide Volumina sind klar voneinander unterscheidbar, bilden aber dennoch eine Einheit. Zwischen beiden vermittelt ein kleiner öffentlicher Platz mit überraschenden Durchblicken zum Park.

Die Botschafterwohnung präsentiert sich als eine geschlossene Villa im Park und schafft dabei einen gelungenen Bezug zu einem benachbarten, seinerzeit ebenfalls durch einen Niederländer errichteten Barockgebäude aus dem 17. Jahrhundert. Deutlich offener zeigt sich das mit unterschiedlichen, teilweise bedruckten Glassorten sowie mit Naturstein und Beton gestaltete Kanzleigebäude, dessen markantestes Element die aus mehreren Schichten bestehende, als eine Art dreidimensionale Collage aufgebaute Straßenansicht ist. Die vordere Ebene setzt sich dabei aus einem organisch-ornamental gestalteten Metallzaun und einem direkt darüber aus der übrigen Betonfassade hervortretenden, großformatigen Erker aus schwarzem Naturstein zusammen. Zusätzlich gesteigert wird die opulente Materialität der Fassade durch eine plan mit dem Erker abschließende äußere Gebäudehülle in Form einer mit Siebdruckmotiven gestalteten Glasmembran. Je nach Lichteinfall gibt sie den Blick auf die darunterliegenden Fenster bzw. die Betonfassade frei oder spiegelt den grünen Umraum des Lazienki-Parks wider.

Edler Materialkontrast in London

Einen weiteren gelungenen Entwurf von EEA für eine diplomatische Vertretung der Niederlande zeigt der Umbau der Visa-Abteilung der Königlich Niederländischen Botschaft im Londoner Hyde Park (2001). Um den im Erdgeschoss eines dreigeschossigen Altbaus aus dem 19. Jahrhundert gelegenen Bereich modernen Standards in puncto Kundenservice und Sicherheit anzupassen und dabei auch der hohen Besucherfrequenz Rechnung zu tragen, entwickelte das Büro ein ebenso elegantes wie robustes Ambiente mit dunklen Steinfußböden, edel gestalteten Designer-Sitzbänken aus rostfreiem Stahl sowie Trennwänden aus teilweise perforiertem Stahl. Die Besucher der Botschaft werden so durch ein ebenso funktionales wie repräsentatives Entree empfangen, das gleichzeitig höchsten Sicherheitsanforderungen entspricht.

Geste der Umarmung in Kiew

Ebenfalls 2001 eröffnet wurde die neue diplomatische Vertretung der Niederländer in Kiev, deren Planung auf das Den Haager Büro Atelier Pro zurückgeht, das durch seinen Entwurf für das Warschauer „Holland Centre“ der ING Groep (1996/98) wie EEA bereits Erfahrungen in Osteuropa aufzuweisen hatte. Auch hier präsentieren sich die Niederländer nicht abgeschottet hinter dicken Mauern, sondern bewusst bürgernah in einem markant detaillierten Neubau im Herzen des Podol Viertels – einem der ältesten Stadtteile von Kiew, wo die Botschaft eine noch aus dem Zweiten Weltkrieg stammende Baulücke am Kontraktova Ploshcha (Vertragsplatz) schließt. Anders als bei den beiden mit viel Glas gestalteten Vertretungen in Berlin und Warschau setzten die Planer in Kiew jedoch auf eine populäre Adaption der ursprünglichen Bebauung, einem mit Sandstein errichteten Wohngebäude aus dem 19. Jahrhundert. Deutlich zeigt sich dabei, dass es eine durchgehende Architektursprache für die unterschiedlichen Neubauprojekte kaum geben kann, da jedes Land andere Bedingungen bietet und deshalb eine jeweils spezifische Annäherung erfordert.

Das neue Botschaftsgebäude besteht aus vier Büroebenen, die um ein zentrales, lichtdurchflutetes Atrium organisiert sind. Darüber hinaus haben die Architekten ein getrennt zugängliches Konsulat und eine Tiefgarage integriert. Die zentrale Platzierung des repräsentativen Haupteingangs mit dem rechts gelegenen Eingang zum Konsulat und der links eingefügten Tür zur Garage lehnt sich dabei deutlich an die symmetrische Fassadenaufteilung der ursprünglichen Bebauung an. Aus dem gleichen Grund wurden sämtliche Außenfassaden in Sandstein in unterschiedlichen Formaten und Oberflächenbehandlungen ausgeführt – glatt poliert im Erdgeschoss und deutlich rauher sowie mit tief eingeschnittenen Kanten versehen rund um die Fensteröffnungen in den oberen Bereichen.

Der Übergang zwischen Erdgeschoss und Aufbau wird durch ein horizontal umlaufendes Betonband markiert. An der Traufkante wird das Gebäudes durch eine Profilleiste abgeschlossen. Durch die daraus resultierende klassische Dreiteilung in Erdgeschoss, Obergeschosse und Traufbereich fügt sich der Bau sensibel in die gleichartig gestaltete übrige Platzbebauung ein. Aufgelockert wird der strenge Charakter der Frontfassade durch die relativ freie Anordnung der vertikal ausgebildeten Fenster. An der Seitenfront haben die Architekten außerdem eine breite Glasfuge als Verlängerung des transparenten Daches eingefügt, sodass das Atrium auch von dieser Seite aus Licht erhält. Darüber hinaus schafft der unkonventionelle Fassadenausschnitt einen fließenden Übergang zu den teilweise recht baufälligen Gebäuden im rückwärtigen Bereich des Platzes. Eine weitere „Störung“ der Symmetrie bietet die deutliche Krümmung der Frontfassade – eine umarmende Geste, mit der der Neubau auch auf das kürzlich sanierte, noch aus dem 12. Jahrhundert stammende „Höllenkloster“ im Zentrum des Platzes reagiert.

Offene Gestaltung in Laibach/Ljubljana

Ein weiterer Neubau für eine niederländische Auslandsvertretung in Osteuropa ist die 2003 nach Plänen der beiden jungen Architekten Matija Bevk (geb. 1972) und Vasa Perovic (1965) fertiggestellte und inzwischen mit dem Piranesi-Preis bedachte neue Botschafterwohnung in Laibach/Ljubljana, Slowenien. Ein bedeutsames Kriterium bei der Auftragsvergabe war hier, dass Vasa Perovic, der seine serbische Staatsangehörigkeit während des Balkankrieges gegen die der Niederlande eingetauscht hatte, in den neunziger Jahren an der renommierten Berlage School of Architecture in Amsterdam studiert hat und deshalb eng mit den dortigen Architekturauffassungen vertraut war.

Für den Standort am Stadtrand von Ljubljana entwickelte das vor Ort ansässige Büro einen offenen kubischen Bau, der seinen Reiz vor allem durch das elegant detaillierte Zusammenspiel zwischen großzügigen Glasflächen und unterschiedlich hohen, dabei vertikal durch weiße Holzprofile gegliederten Holz-Volumina im Obergeschoss bezieht. Im Erdgeschoss des maßgeschneiderten Hauses stehen dem Botschafter ein Entree, eine Lounge, ein Studio/Büro, ein Wohnzimmer, ein Esszimmer sowie ein Zugang zur angrenzenden Terrasse zur Verfügung, im Obergeschoss wurden der gesamte Privatbereich sowie ein Balkon untergebracht.

Lebendige Synthese in Mozambique

Einen völlig anderen Kontext als die Botschaften in den Staaten Osteuropas bietet die im Sommer 2004 eröffnete Auslandsvertretung der Niederlande in Maputo, der Hauptstadt des südostafrikanischen Mozambique. Der durch das Amsterdamer Architektenduo Felix Claus und Kees Kaan direkt an der Küste zum Indischen Ozean errichtete Bau wurde ganz bewusst als lebendige und kontrastreiche Synthese aus niederländischen Gestaltungselementen sowie westlichen Ansprüchen in puncto Komfort auf der einen, und örtlichen Materialien und traditionellen afrikanischen Bautechniken auf der anderen Seite errichtet.

Mit seiner glorreichen Vergangenheit als wohlhabende Handelsmetropole und seinen faszinierenden Beispielen portugiesischer Kolonialarchitektur war Maputo einst eine der wichtigsten Hafenstädte Afrikas. Doch nach dem Abzug der Portugiesen 1975 und dem zwischen 1980 und 1990 tobenden Bürgerkrieg lag das Land weitgehend in Trümmern. Und auch heute noch ist Mozambique von ausländischer Wirtschaftshilfe abhängig. Dennoch haben sich die Umstände in den vergangenen Jahren deutlich verbessert. In der Hauptstadt Maputo sind nach der Wiederherstellung normaler internationaler Beziehungen inzwischen sogar einige neue Botschaftsgebäude errichtet worden. Darunter auch die am Rand der Innenstadt gelegene Vertretung der Niederlande von Claus & Kaan – ein leichter, offener und dabei deutlich am Vokabular der niederländischen Moderne orientierter Bau ohne jeden Prunk, der sich zurückhaltend, fast asketisch in den bestehenden Kontext einfügt. Nicht ohne Grund übrigens, wie Projektarchitekt Kees Kaan erklärt, denn schließlich gäbe es weltweit nur 11 Staaten, denen es wirtschaftlich schlechter gehe als Mozambique und gerade mal 12, die reicher seien als die Niederlande. Ein Rahmen also, der Bescheidenheit fast schon zur Pflicht macht.

Claus & Kaan haben ihre Botschaft als einen zweigeschossigen L-förmigen Baukörper entwickelt, dessen beide Flügel einen mit tropischen Bäumen bepflanzten Innenhof umschließen (zu den beiden übrigen Seiten wird die mit Kies gestalteten Fläche von einem recht hohen, aber sichtdurchlässigen Holzzaun umgeben). Der kleinere der beiden Gebäudeflügel beherbergt den Haupteingang zur Botschaft mit dem Pförtnerraum. Sämtliche anderen Funktionen wurden im größeren Gebäudeteil untergebracht, den die Architekten zum Innenhof hin großzügig verglast und aus Sonnenschutzgründen mit einem rund drei Meter weit auskragenden Vordach gestaltet haben.

Eine ähnlich einfache und leicht lesbare Anordnung zeigt auch das Innere des Hauptflügels mit dem im Kreuzungspunkt zwischen beiden Flügeln platzierten doppelgeschossigen Foyer, von dem aus ein schmaler Flur die zum Innenhof platzierten Büros sowie die Archiv- und Besprechungsräume erschließt. Entlang der gegenüber liegenden Nordseite des Flügels, die hier aufgrund der Lage der Botschaft auf der Südhalbkugel der Erde die von der Sonne beschienene Seite ist, fügt sich schließlich eine schmale, zweigeschossige Treppenhalle zur Erschließung des Obergeschosses an. Markanter Blickfang sind dabei die sich über die gesamte Länge der Fassade erstreckenden vertikalen Öffnungen, die für eine elegant-bewegte Belichtung der Halle sorgen.

Steil abfallendes Terrain in Addis Abeba, Äthopien

Eine ähnlich schwierige Aufgabe bot die Planung der rund 3.000 Kilometer weiter nördlich, am Rande von Addis Abeba vor wenigen Wochen eingeweihten niederländischen Botschaft in Äthiopien, die durch Dick van Gameren und Bjarne Mastenbroek vom Amsterdamer Büro De Architectengroep geplant wurde (Bjarne Mastenbroek führt inzwischen das eigene Büro Search). Auch hier galt es, einen architektonischen Spagat zwischen westeuropäischen und afrikanischen Vorstellungen und Stilelementen zu finden. Gleichzeitig sollte das Ensemble einen Reflex auf das schwierige Grundstück bieten, das aus einem fünf Hektar großen, steil in Richtung eines Tals abfallenden Eukalyptuswald besteht.

Die Anlage besteht aus insgesamt fünf Elementen: der Kanzlei, der Botschafter-Residenz, einer Erweiterung einer historischen Villa zur Wohnung für den Vize-Botschafter, drei Personalwohnungen sowie einem archaisch wirkenden Eingangstor mit Pförtnerhäuschen am südöstlichen Rand des Grundstücks. Den Kern des Ensembles bildet dabei ein langgestreckter Quader, den die Architekten so platziert haben, dass er in seiner Mitte einen Hügel durchquert, wodurch sich eine deutliche Zweiteilung des Riegels in die beiden Bereiche Kanzlei und Botschafterwohnung ergeben hat. Auf dem Dach des Volumens integrierten die Planer ein von höher gelegenen Standpunkten aus einsehbares flaches Wasserbecken und schufen so einen geschickten Verweis sowohl auf die niederländische Tradition im Bereich Wasserwirtschaft als auch auf die Landschaft Äthiopiens, das ebenfalls weitgehend unterhalb des Meeresspiegels liegt. Während der Regenzeit wird in dem Becken ein Teil des auf dem Areal gesammelten Regenwassers aufgestaut und anschließend außer zur Spülung der Toiletten auch zur Gebäudekühlung genutzt. Weitere Gebäude auf dem Areal sind die teilweise unter die vorhandene Altbauvilla geschobene und so scheinbar schwebende Wohnung für den Vize-Botschafter sowie die drei Personalgebäude, die zwischen der doppelten Mauer an der Nordseite des Geländes platziert wurden.

Die Fassaden sämtlicher Volumina gestalteten Dick van Gameren und Bjarne Mastenbroek mit rot pigmentiertem, ansonsten aber roh belassenem Beton, der die gleiche Farbigkeit wie die eisenhaltige äthiopische Erde hat und auf dem sich deutlich sichtbar die Maserung der Schalungsbretter abzeichnet. Als weitere Materialien wurden äthiopisches Marmor und äthiopisches Flechtwerk sowie eher westlich anmutende Materialien wie Fotoprint-Wände, Filz oder Putz verwendet.

Koloniales Erbe in Paramaribo, Suriname

Zwei weitere jüngere Botschaftsprojekte der Niederlande sind die 2002 nach Plänen des in Rotterdam ansässigen Architekten und Städteplaner Carel Weeber errichtete neue Botschafterwohnung in Dakkar, Senegal, deren Gestaltung den alten niederländischen Kolonialstil aufgreift, sowie die 1996 fertiggestellte niederländische Botschaft in Paramaribo, der Hauptstadt des an der Nordostküste Südamerikas gelegenen Staates Suriname, dessen prachtvolle Kolonialbauten noch heute von der über 300 Jahre langen Administration der Niederlande in der ehemaligen Kolonie Niederländisch-Guyana zeugen. 1954 erhielt das Land den Status eines gleichberechtigten und sich selbst verwalteten Teils der Niederlande, 1975 wurde es schließlich unabhängig. Dennoch unterhält der multikulturelle Staat, in dem Menschen südamerikanischer, afrikanischer, indischer, javanischer und niederländischer Herkunft leben, auch heute noch einen intensiven kulturellen und wirtschaftlichen Austausch mit dem Mutterland.

Bei der Ausschreibung der neuen Botschaft setzte das Niederländische Außenministerium ganz bewusst auf ein Büro, das über ausreichend Erfahrung mit Projekten in Suriname verfügt und vergab den Auftrag schließlich an die Amsterdamer Architekten Lucien Lafour und Rikkert Wijk, die bereits seit Ende der siebziger Jahre zahlreiche Gebäude in der ehemaligen Kolonie entwickelt haben. Auf dem schmalen, tiefen Grundstück im Zentrum Paramaribos entwickelte das Büro einen zurückhaltenden, aber klar und eindeutig formulierten Bau, dessen beide Elemente Botschaft und Konsulat als zwei ineinander verschränkte, cascadenförmig aufsteigende Ovale gestaltet wurden. In vorderen Bauteil ist das Konsulat beherbergt, im hinteren befindet sich der Botschaftstrakt, der auf insgesamt vier Ebenen Büros für die Abteilungen Entwicklungsarbeit, Verteidigung, Justiz und Außenbeziehung bereitstellt. Sämtliche Büros sind um zwei gebäudehohe Atrien gruppiert, wobei die umlaufenden Erschließungsgalerien einen fließenden Übergang von eher öffentlichen zu eher „privaten“ Bereichen ermöglichen.

Um an dem tropischen Standort ein angenehmes Binnenklima sicherzustellen, verfügt der Bau über große, individuell öffenbare Fensterflächen sowie über zahlreiche Oberlichter, die gemeinsam für eine ausreichende Ventilation sorgen. Als Maßnahme zur Verschattung wurden sämtliche Fassaden außerdem mit einer umlaufenden, leicht überstehenden Dachleiste ausgestattet, die mit ihrer eleganten Detaillierung einen gelungenen Bezug zur Atmosphäre der historischen Stadt und dem filigranen Charakter der überstehenden Dächer der vielen Holzhäuser schafft. Außerdem integrierten die Architekten ein großes, ebenfalls ovalförmiges Wasserbecken im Atrium des Botschaftstraktes. Als weiteres Element zur Klimatisierung des Gebäudes und um den Eindruck von „kühlen Tropen“ zu unterstützen. Schließlich befinden sich die Besucher hier auf dem Boden der Niederlande.

© Text + Foto: Robert Uhde

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