“Organische Form”

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  1. Architekturjournalismus

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Bürogebäude in Heidenau

In Heidenau bei Dresden ist vor kurzem der Büroneubau für die Saegeling Medizintechnik GmbH Saegeling fertiggestellt worden. Der geschwungene, nach Plänen des Dresdener Büros GPAC errichtete Baukörper schafft ein markantes architektonisches Zeichen direkt neben dem bestehen Firmensitz des Unternehmens. Im Innenbereich steht eine Grundfläche von rund 600 Quadratmetern mit hellen Büroarbeitsplätzen zur Verfügung. Aufgrund seiner nachhaltigen Bauweise wurde der Neubau inzwischen mit dem DGNB-Zertifikat in Bronze ausgezeichnet.

Die 1962 gegründete Saegeling Medizintechnik GmbH mit Sitz in Heidenau bei Dresden vertreibt hochwertige Lösungen unter anderem für die Bereiche Schlafdiagnostik, Anästhesie oder Neugeborenenmedizin. Um der wachsenden Nachfrage seiner Kunden aus dem In- und Ausland zu begegnen, entschied sich die Geschäftsführung des Unternehmens im Frühjahr 2006 dazu, den bestehenden Standort an der Kreuzung Ernst-Thälmann-Straße/Mühlenstraße durch ein repräsentatives neues Bürogebäude mit einer Grundfläche von rund 600 Quadratmetern für perspektivisch rund 25 Mitarbeiter zu erweitern.

Mit der Planung des Projekts wurde schließlich das Dresdener Büro Gerd Priebe Architects & Consultants beauftragt. Ausgehend von der kleinmaßstäblichen Bebauung des rund 16.000 Einwohner zählenden Ortes entwickelten die Planer einen betont horizontal ausgerichteten zweigeschossigen Baukörper mit großflächigen, wechselweise konvex oder konkav gerundeten Glasfassaden. Im abwechslungsreichen Zusammenspiel der Glasflächen mit strahlend weiß verputzten Fassadenabschnitten sowie den ebenfalls weißen Attika-Elementen erscheint der Neubau beinahe schwerelos, so dass er sich trotz seiner ungewöhnlichen Formensprache harmonisch in den städtebaulichen Kontext einfügt.

Großzügige Offenheit

„Bei der Entwicklung der Gebäudeform haben wir uns an den Raumkanten und Traufhöhen der vorhandenen Bebauung orientiert und gleichzeitig die vorhandene Aufteilung in straßenseitige und rückseitige Bebauung berücksichtigt“, berichtet Architekt Gerd Priebe. „Darüber hinaus wollten wir zunächst einen auf dem Grundstück stehenden Baum erhalten und um ihn herum bauen.“ Ausgehend von diesen Vorgaben entstand schließlich ein dynamisch gerundeter Bau in Stahlbetonbauweise, der von oben betrachtet an eine Amöbe erinnert – mit einem breiteren Teil in Richtung der südöstlich angrenzenden Kreuzung und einem schmal auslaufenden Bereich in Richtung Norden. „Mit dieser organischen und stark bildhaften Architektur hebt sich der Neubau schon auf den ersten Blick deutlich von der überwiegend durch Einfamilienhäuser geprägten Nachbarbebauung ab, ohne seine Umgebung dabei zu dominieren“, so Gerd Priebe.

Die elegant geschwungene Grundrissform des Gebäudes schafft nicht nur einen hohen Widererkennungswert, sondern ermöglicht im Zusammenspiel mit den großflächigen Glasfassaden auch eine optimierte Einbeziehung des Außenraums und damit einen fließenden Übergang von Innen und Außen. Am deutlichsten wird dieser offene Charakter in Richtung Osten, wo das Gebäude an ein dreigeschossiges Wohngebäude und einen rückseitig gelegenen Parkplatz angrenzt. Die mäandrierenden Glasfassaden fassen hier einen geschützten Außenraum ein, der sich beinahe übergangslos mit dem Innenraum verbindet. „Die bewegten Linienführungen der Gebäudeform ermöglichen direkte Sichtbeziehungen von den unterschiedlichen Bereichen aus und lassen den Baukörper mit seinen lebendigen Licht- und Schattenspielen auch im Innenraum erlebbar werden“, beschreibt Gerd Priebe das gestalterische Konzept.

Zur Umsetzung der gekrümmten Glasfassaden kamen bis zu 5,30 Meter hohe, in unterschiedlichen Radien gebogene Verbundsicherheitsgläser zum Einsatz. Mit ihren geringen Reflexions- und ihren guten Lichttransmissionseigenschaften ermöglichen sie in sämtlichen Bereichen des Gebäudes helle Büroarbeitsplätze mit einem hohen Maß an Tageslichtnutzung. Um möglichst geringe Herstellungskosten zu ermöglichen, wurde der Grundriss dabei so optimiert, dass die eingesetzten Gläser lediglich in vier verschiedenen Radien gegossen werden mussten. Die großflächige Frontfassade nach Süden, durch die hindurch die geschwungene Treppe ins Obergeschoss nach außen sichtbar wird, besteht dabei aus insgesamt acht Scheiben, die jeweils durch 60 Millimeter schlanke Profile untergliedert werden. Zusätzlich strukturiert wird die Fassade durch die nach außen hin sichtbare Geschossdecke sowie durch den außen liegenden Sonnenschutz, der eine flexible Verschattung je nach Lichteinfall ermöglicht.

Deutlich geschlossener präsentiert sich das Gebäude in Richtung Westen, wo er direkt an den bestehenden Firmensitz der Saegeling Medizintechnik mit den Bereichen Service und Lager angrenzt und wo sich auch der leicht zurückliegende Mitarbeitereingang zum Neubau befindet. Statt auf offene Glasflächen trifft der Blick hier überwiegend auf weiß verputzte Betonfassaden, geöffnet lediglich durch schmale horizontale Fensterbänder sowie durch den im Kontrast als vertikale Glasfuge gestalteten Eingang. Auch hier wurde die Fassadenkrümmung so gewählt, dass die eingesetzten Elemente des WDV-Systems lediglich in vier verschiedenen Radien gefertigt werden mussten. Der Dachaufbau des Gebäudes wurde der organischen Grundform entsprechend ebenfalls um 120 Zentimeter nach oben gewölbt, um so eine optimierte Abfuhr von Regenwasser zu ermöglichen.

Übersichtliche Innenraumaufteilung

Der Hauptzugang zum Gebäude erfolgt über den als Glasfuge in Richtung der Straßenkreuzung gestalteten Eingang. Im Innenraum angelangt erwartet die Besucher zunächst eine großzügige zweigeschossige Eingangslobby. Der nach Süden durch die geschwungene Glasfront geöffnete, mit tropfenförmigen Objektleuchten gestaltete und mit moderner Präsentationstechnik ausgestattete Raum ist bei Bedarf auch als (extern vermietbarer) Veranstaltungsraum für Tagungen und als Kulturraum nutzbar. Hier wie in sämtlichen anderen Bereichen des Gebäudes realisierten die Planer eine fließende Architektur mit plastisch geschwungenen Außen- und Innenwänden sowie offenen Sichtbezügen nach Innen und Außen. Die Integration von vier frei eingestellten Raum-in-Raum-Elementen wie der durch ein Oberlicht geöffneten Buchhaltung im Obergeschoss oder der Mitarbeiterküche ermöglichte dabei die Schaffung eines weitgehend stützenfreien Raumkontinuums.

Um eine optimierte Nutzung der zur Verfügung stehenden Grundstücksfläche mit möglichst kurzen Wege zu ermöglichen, ist der Neubau in zwei Funktionsbereiche untergliedert: Im südlich gelegenen öffentlichen Bereich schließen sich der großen Eingangslobby ein Kundenraum im Erdgeschoss und eine über eine weit ausladende Treppe erschlossene Galerie im Obergeschoss an. Sämtliche Büros sowie sonstige internen Funktionen wurden dagegen ausschließlich im langgestreckten nördlichen Teil des Gebäudes angesiedelt. Neben Einzelbüroräumen findet sich hier auch eine großräumige „Open-Office-Area. Im äußersten nordöstlichen Ende des Gebäudes steht außerdem ein durchgehend verglaster Pausenraum zur Verfügung, von wo aus sich ein wunderbarer Rundum-Ausblick auf den angrenzenden Garten mit der im Kontrast zur Gebäudeform bewusst zackenförmig gestalteten Wegeführung ergibt. Im Raum direkt darüber findet sich das Büro der Geschäftsführung.

Ein zentrales Gestaltungselement im Innenraum des Neubaus sind die im gesamten Gebäude verlegten aubergine-farbenen Teppichböden. Im Zusammenspiel mit den leuchtend weißen Wandflächen sowie dem umgebenden Grün der Bäume betonen sie den lebendigen und dynamischen Charakter der Architektur und tragen gleichzeitig zu einer optimierten Akustik sowie zur betont wohnlichen Atmosphäre im Gebäude bei. Aber auch sonst haben die Planer großen Wert auf eine hochwertige Innenraumausstattung gelegt: Neben den individuell angefertigten Raumelementen wie dem ovalförmigen Empfang oder der organisch geformten Chaise longue in der Eingangslobby kamen moderne Konferenzsessel aus schwarzem Leder sowie lindgrüne Stühle zum Einsatz. Im Außenbereich des Gebäudes wird die Farbe der Teppichböden durch eine ebenfalls aubergine-farben gestaltete Außenterrasse aufgenommen, die das gesamte Gebäude umsäumt und so den fließenden Übergang von Innen- und Außenraum hervorhebt.

Nachhaltig geplant

Ein wichtiger Aspekt bei der Planung des Gebäudes war eine nachhaltige, möglichst Material sparende sowie Flächen und Ressourcen schonende Bauweise mit einer bewusst begrenzten Büroarbeitsfläche von sechs Quadratmetern je Mitarbeiter. Inzwischen wurde der Neubau daher mit dem neuen DGNB-Zertifikat in Bronze ausgezeichnet. Das von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen vergebene Siegel basiert auf einer Bewertung von 49 unterschiedlichen Kriterien aus unterschiedlichen Themenfeldern. Ein wichtiger Aspekt dabei war insbesondere der hohe raumklimatische Komfort des Gebäudes, der durch ein flexibles, unabhängig steuerbares Flächenheiz- und Kühlsystem in den Decken, die passive Nutzung von Solarenergie durch die großflächigen Glasfassaden sowie durch den Einsatz von sechs Millimeter starken Kapillarrohrmatten in den verputzten Wänden zur Vermeidung von punktuellen Raumtemperaturschwankungen erreicht wird. Zur Verschattung der geschwungenen Glasfassaden kam ein gebogener außen liegender Raffstore mit extrem formstabilen Aluminium-Flachlamellen zum Einsatz. Im Innenbereich wurde zusätzlich ein vertikaler Blendschutz eingesetzt.

Ein weiterer wichtiger Aspekt bei der Planung war die Gründung des Neubaus auf den Fundamenten des Vorgängergebäudes, um so Ressourcen zu schonen und möglichst wenig in die gegebenen Bodenbeschaffenheiten eingreifen zu müssen. Das Resultat der zahlreichen Maßnahmen ist ein nachhaltig geplanter Neubau, der sich trotz seiner individuellen Form sensibel in seine Umgebung einbettet und gleichzeitig optimale Bedingungen für die hier tätigen Mitarbeiter schafft.

© Text + Foto: Robert Uhde

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