“Mit Blick aufs Wasser”

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  1. Architekturjournalismus

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Architekturzentrum ARCAM, Amsterdam

Schon vor zwei Jahren, als er seinen aus verformten Trapezblechen errichteten Ausstellungspavillon “De Verbeelding” vorstellte, gelang René van Zuuk internationales Aufsehen. Mit dem neuen Sitz des Amsterdamer Architekturzentrums ARCAM hat der junge niederländische Architekt jetzt erneut einen exzentrischen Kulturbau realisiert. Im großzügigen Inneren des mit einer organischen Haut aus Glas, Zink und Aluminium umhüllten Pavillons bietet sich den Besuchern ein offener Galerieraum mit freier Aussicht auf das Hafenbecken des Osterdoks mit dem Wissenschafts- und Technikmuseum “Nemo” von Renzo Piano.

Die vorrangige Aufgabe des Amsterdamer Architekturzentrums (Arcam) ist die Vermittlung der Baupolitik der Stadt Amsterdam. Bis zuletzt war die Einrichtung gemeinsam mit der Amsterdamer Akademie für Architektur in ziemlich beengten und nur wenig repräsentativen Räumlichkeiten am rund zwei Kilometer weiter nördlich gelegenen Waterloo-Plein untergebracht. Doch nachdem im Sommer 1998 durch heftige Regenfälle zum dritten Mal innerhalb von nur sechs Jahren Wasser in die Büro- und Galerieräume eingetreten war, war für Direktor Maarten Kloos endgültig die Schmerzgrenze erreicht: Als Schutz gegen künftige Wasserschäden errichteten die Verantwortlichen des Zentrums schließlich eine Absperrung in Form kleiner blauer Wellen – gedacht auch als deutliches Signal an das direkt gegen über gelegene Stadtplanungsamt. Und siehe da, der Notruf verhallte nicht ungehört: Noch im gleichen Jahr wurde der im nahe gelegenen Almere ansässige Architekt René van Zuuk beauftragt, die Erweiterungsmöglichkeiten des kleinen Ausstellungs-Pavillons neben dem durch Renzo Piano errichteten Wissenschafts- und Technikmuseum “New Metropolis” (heute “Nemo”) zu untersuchen.

Der ebenfalls aus der Feder von Piano stammende Expo-Pavillon wurde Mitte der 90er-Jahre zeitgleich mit dem Nemo als Informationszentrum für den angrenzenden Freiluftbereich des Maritimen Museums errichtet, stand aber seitdem die meiste Zeit leer. Für die Aktivitäten des Arcam erwies sich der Bau jedoch definitiv als zu klein. Um den Umzug dennoch realisieren zu können, war also ein kompletter Neubau nötig. Und nachdem Piano selbst angedeutet hatte, dass dazu besser ein lokaler Architekt ausgewählt werden sollte, beauftragte die Stadt Anfang 1999 schließlich René van Zuuk selbst mit dem Bau des Prestigeobjektes. Vom Ursprungsbau konnten dabei lediglich fünf Betonstützen und die Betondecke integriert werden. Der Rest wurde abgebrochen, um einen Neubau mit einer vier mal so großen Grundfläche realisieren zu können.

Der 1962 geborene René van Zuuk gilt als eines der vielversprechendsten Talente der niederländischen Architekturszene. Seinem dekonstruktivistischen Atelier in Almere und dem Zentrum für plastische Künste in Alphen aan de Rijn ließ er vor zwei Jahren seinen viel besprochenen Ausstellungspavillon in Zeewolde/Flevoland folgen. Grund genug also, ihm auch das Hafenbecken des Oosterdoks im Zentrum von Amsterdam anzuvertrauen – ein ebenso attraktiver, wie schwieriger Standort, denn die bebaubare Fläche betrug lediglich rund 200 Quadratmeter.

Um das extrem enge Grundstück optimal zu nutzen, entwickelte René van Zuuk einen kompakten organischen Baukörper, dessen verformte Haut aus Glas, Aluminium und Zink einen fließenden übergang zwischen Fassade und Dach schafft. Auf den ersten Blick lässt der Arcam-Pavillon daher an ein neues Ereignis der neo-organischen “Blob”-Architektur denken. Doch dieser erste flüchtige Eindruck täuscht – denn trotz seiner ungewöhnlichen Form wurde der Neubau nicht als computergenerierter “Tropfen” entworfen, sondern wurde trotz intensiven Rechnereinsatzes letztlich von einem bautechnischen Standpunkt aus entwickelt, wobei vor allem die Eigenschaften der verwendeten Materialien im Mittelpunkt standen. Durch verschiedene Studien an Modellen und die Suche nach Strukturen entstand schließlich eine Form, die die konventionellen Grenzen des Bauens aufsucht und überschreitet.

Zur nördlich angrenzenden Hauptstraße Prins Hendrikkade präsentiert sich der Pavillon zunächst fast geschlossen – im Eingangsbereich schnitt der Architekt jedoch eine runde, nach oben hin sich vergrößernde Ausbuchtung aus der Aluminiumhaut heraus, so dass sich den vorbei laufenden Passanten hier über die gesamte Gebäudehöhe ein Einblick ins Innere des Neubaus bietet. Einen wesentlich offeneren Eindruck zeigt die durch ein Souterrain ergänzte Wasserseite: Hier wählte Van Zuuk eine durchlaufende, nach außen hin sanft geknickte Glasfassade, um den Besuchern einen freien Ausblick über das Hafenbecken des Oosterdoks bis hin zum gegen über liegenden Schifffahrtsmuseum und dem Nemo mit seiner grünen Haut aus vorpatiniertem Kupfer zu ermöglichen.

Eine ähnlich überzeugende Lösung zeigt auch Innere des Architekturzentrums, wo den Mitarbeitern und Besuchern drei lichtdurchflutete, durch Galerien und Lufträume intelligent miteinander verbundene Ebenen mit unterschiedlichen Funktionen zur Verfügung stehen. Das auf Straßenniveau gelegene Geschoss bietet dabei Raum für verschiedene Ausstellungen und kann gleichzeitig für pädagogische Zwecke genutzt werden. Das über ein plastisch geformtes Treppenhaus erschlossene Obergeschoss wurde demgegen über als heller, durch Glaswände unterteilter Bürotrakt gestaltet. Noch dichter am Wasser liegt dann das auf Hafenbecken-Niveau platzierte und für Vorlesungen und kleinere Kongresse genutzte Souterrain. Ein Ambiente für ganz hohe Ansprüche. Besser hätte es für die Amsterdamer Architektur nicht kommen können.

© Text und Foto: Robert Uhde

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